„Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen...“

Am letzten Wochenende führte das Netzwerk ChristNet in Aarau, Bern, Lausanne und Genf Treffen im Blick auf die Abstimmung vom 24. September über Asyl- und Ausländergesetz durch. Sie dienten der Sensibilisierung der Christen für die Thematik. Die insgesamt über 170 Teilnehmer kamen je nach Ort in den Genuss einer Filmvorführung, einer hochkarätigen Debatte, des Berichts eines anerkannten Flüchtlings oder von Begegnungen mit Asylbewerbern.
Der Film von Charles Heller folgt dem Weg eines Asylbewerbers.
„Lieber einen zuviel aufnehmen als einen zuviel ausweisen“: Claude Ruey

Der Film „NEE – Nichteintretensentscheid“ von Charles Heller (2005) dokumentiert die menschlichen Auswirkungen des Sozialhilfestopps auf Asylbewerber mit einem Nichteintretensentscheid (NEE). Anhand von persönlichen Berichten wird deutlich, dass diese Menschen vor der (oft unmöglichen) Wahl stehen, nach Hause zurückzukehren, wo sie Elend und Verfolgung erwartet, oder trotz polizeilicher und administrativer Schikanen illegal hier zu bleiben.

Die Sicht von Betroffenen

Ein Mann mit NEE aus Kongo kommt zum Schluss: „Ich bleibe, weil ich hier wenigstens in Sicherheit bin.“ Das revidierte Asylgesetz, über das am 24. September abgestimmt wird, führt unter anderem einen Sozialhilfestopp für alle abgewiesenen Asylbewerber ein; sie erhalten bloss noch Nothilfe.

ChristNet wolle in der aktuellen Asyl- und Ausländerdebatte die humanitäre Lage der direkt betroffenen Menschen ins Zentrum rücken. Dies im Sinne von Jesus, der immer wieder die Nächstenliebe ins Zentrum stellt. Die Organisatoren sind befriedigt von der Sensibilisierung, die durch diese Anlässe stattgefunden habe.

„Nächstenliebe“ – für wen?

In Lausanne verfolgten über 100 Personen die von Freikirchen mitorganisierte Debatte dreier Politiker und der Vertreterin eines Asylhilfswerks. Der SVP-Mann Jean-Luc Chollet Chollet äusserte, man müsse Nächstenliebe erweisen, könne aber nicht alle aufnehmen. Demgegenüber meinte der liberale Nationalrat Claude Ruey: „Mir ist es lieber, einen zuviel aufzunehmen, als einen zuviel auszuweisen.“ Allgemein wurde die respektvolle Gesprächskultur geschätzt.

Beschwerlicher Weg zur Aufnahme

In Genf erzählte ein Flüchtling aus Togo, wie er das Schweizer Asylverfahren erlebt hat. Neben Desillusionierung (das Verfahren zog sich hin, er durfte nur sehr beschränkt arbeiten) war auch Dankbarkeit über die Aufnahme spürbar. Pierre Dürrenmatt vom Flüchtlingspfarramt Genf wies darauf hin, dass die Schweiz auch den „echten“ Flüchtlingen gegenüber nicht sehr grosszügig sei, da beispielsweise Arbeitsbewilligungen nur stark eingeschränkt erteilt würden.

Wegsehen ist einfacher

In Aarau sah eine kleine Gruppe nach dem Gottesdienst in der katholischen Pfarrei Peter und Paul den NEE-Film von Heller. In Bern feierten etwa 40 Personen Begegnungen bei gemeinsamem Spiel, internationalem Essen und vielen Diskussionen. Ein Pastor gestand, dass er auch manchmal die Augen vor der Ausländerproblematik verschliesst. „Denn wenn ich hinblicke, wie die Situation wirklich ist, dann kann ich nicht anders als helfen.“

ChristNet ist ein Forum von ChristInnen, das sich mit sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, kulturellen und entwicklungspolitischen Fragen auseinandersetzt und sich für ihre praktische Umsetzung engagiert.

Datum: 01.09.2006

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