Interreligiöse Zeremonie

Im Wortlaut – so wurde der Basistunnel gesegnet

Punkt 12 Uhr eröffneten Bundespräsident Schneider Ammann im Norden und Verkehrsministerin Doris Leuthard im Süden gestern den neuen Gotthard-Tunnel. Der Feier zur Eröffnung des neuen Basistunnels sind Misstöne bezüglich der Segnung vorausgegangen.
Vertreter verschiedener Religionen waren bei der Segnung des neuen Gottard-Tunnels beteiligt: v.l.n.r.: Pieter Zeilstra, Martin Werlen, Marcel Yair Ebel, Bekim Alimi, Simona Rauch.
Hanspeter Nüesch
Der Tunnel, der unter dem Gotthard hindurch geht, ist mit 57 km der längste der Welt.

In einem Offenen Brief an Bundesrätin Doris Leuthard hat Hanspeter Nüesch, der langjährige Leiter von Campus für Christus, die Teilnahme eines Imams an der Segnungsfeier kritisiert. Der Islam sei nicht Teil der Schweizer Geschichte.

Hanspeter Nüesch stellte klar: «Der Glaube der Muslime an Allah ist dem Glauben an den Gott der Bibel und den Erlöser Jesus Christus nicht gleichzusetzen, sondern steht ihm in manchen Bereichen diametral gegenüber.» Muslime seien in unserem Land willkommen; der Islam als Religion gehöre aber nicht zur Schweiz. Nüesch kritisierte ebenfalls die künstlerische Inszenierung. In ihrer Antwort an Nüesch erklärte die Verkehrsministerin, die interreligiöse Zeremonie solle einerseits die Einheit der Christen symbolisieren und anderseits «soll damit gezeigt werden, dass Menschen verschiedener Herkunft und Religionszugehörigkeit in der Schweiz friedlich zusammenleben und zusammenarbeiten können». Am Bau des Gotthard-Basistunnels seien auch Arbeiter muslimischen Glaubens beteiligt gewesen.

Leuthard: «Offenheit und Toleranz»

Nach der Überzeugung von Doris Leuthard sind «Offenheit und Toleranz urschweizerische Tugenden»; sie hätten Platz an der Segnung des Gotthardbasistunnels. Zur künstlerischen Inszenierung habe man sich auf Figuren und Sagen, die der Alpenkultur entstammten, konzentriert. So würden «tanzende Heuhaufen» gezeigt, keine Derwische. Sie habe keine triftigen Gründe gesehen, diese Aufführung kurz vor der Eröffnungsfeier vom Programm zu streichen.

Die Segensworte

Die interreligiöse Segensfeier zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels wurde von fünf Personen gestaltet. Das katholische Medienzentrum kath.ch veröffentlichte die Texte im Wortlaut.

Pieter Zeilstra, Vizedirektor BAV (konfessionslos):
Nun dürfen wir den Gotthard-Basis-Tunnel offiziell eröffnen. Als Verantwortlicher für die Sicherheit denke ich dankbar an die vergangenen Jahre zurück und wünsche allen eine sichere Fahrt durch den Tunnel. Ich gehöre keiner Religionsgemeinschaft an. Umso mehr freue ich mich, zusammen mit Vertretern dreier Religionen bei der Einweihung dabei zu sein. Der Tunnel verbindet Regionen, Kulturen, Sprachen, aber auch Religionen und Menschen, die zu keiner Religionsgemeinschaft gehören. Was verbindet die vielen am Bau Beteiligten, wie auch die Menschen im Norden und Süden, die diesen Tunnel nutzen werden? Es ist das Vertrauen in die Macht des Guten im Menschen. Nutzen wir den Tunnel als Gelegenheit, um Nord und Süd nicht nur geografisch näher zusammenzubringen.

Rabbiner Marcel Yair Ebel:
«Und Jaakov ging seines Weges, da begegneten ihm die Engel Gottes. Als er sie sah sprach Jakov: Dies ist ein Lager Gottes. Und er nannte diesen Ort Machanijm.» (aus dem 1. Buch Mose 32:3)

Es sei Dein Wille, Ewiger unser Gott und Gott unserer Väter, uns friedlich zu führen, gefahrlos gehen zu lassen, uns behutsam zu leiten, damit wir zum Leben, zur Freude und wohlbehalten an unser Ziel gelangen und dass Du uns wohlbehalten in unser Heim zurückkehren lässt. Errette uns aus der Hand jeglichen Feindes und Wegelagerers, schütze uns von allem Bösen, das auf die Welt zukommt. Schicke Segen in das Werk unserer Hände, dass wir in Deinen Augen und in den Augen all derer, die uns sehen, Wohlwollen, Liebe und Barmherzigkeit finden. Höre die Stimme unseres Flehens, denn Du bist der Gott, der Gebete und Flehen erhört. Gelobt seist Du, Ewiger, der Gebete erhört.
«Der Ewige behüte deine Seele. Der Ewige behüte dein Hinausgehen und deine Heimkehr von jetzt bis in alle Ewigkeit.» (Psalm 121, Verse 7+8)

Imam Bekim Alimi:
«Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Gepriesen ist Derjenige, der dies für uns dienstbar gemacht hat, und wir wären hierzu nicht imstande gewesen. Und wahrlich, wir werden zu unserem Herrn ja zurückkehren.» (aus dem Koran)

O Allah! Ich flehe um Deine Güte in diesem Land. Ich flehe um Sicherheit und Brüderlichkeit. Ich flehe um Zuflucht bei Dir aus der Bosheit.
O Allah! Lass uns all unseren Kummer überwinden und mache einfach für uns, was schwer ist und gib uns mehr Güte, als wir erhoffen zu erhalten; und entferne jegliches Übel von uns, das unserer Gesundheit und unserer Menschlichkeit schadet. O du Allbarmherziger!
O Allah, wir bitten Dich auf dieser unserer Reise und Reisemittel um Frömmigkeit und in Achtnahme von Dir. Wir bitten Dich um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit unter uns.
Erleichtere den Weg derjenigen, die uns diese Reise erleichtert haben und ermögliche uns, anderen ihre Reise zu erleichtern.
O Allah, ich bitte dich so wie der Prophet Abraham dich gebeten hat: «Mein Herr, mach dies zu einem sicheren Land und versorge die Bewohner dieses Landes mit Früchten und Nahrung. Amin.»

Reformierte Pfarrerin Simona Rauch (in italienischer Sprache):
«Er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.» (Offenbarung, Kapitel 1, Verse 17+18)

Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du deine Rechte auf uns legst. Immer wieder sagst du uns: Fürchte dich nicht! Dir empfehlen wir alle an, die an diesem grossen Projekt gearbeitet haben. Besonders denken wir an die neun Menschen, die hier tödlich verunfallt sind und an ihre Angehörigen, die um liebe Menschen trauern. Auf die Fürsprache der heiligen Barbara lass sie deine heilende Nähe erfahren.
Wir alle sind suchende Menschen. Ermutige uns, dass wir nicht vor hohen Bergen ratlos stehen bleiben, sondern über alle Hindernisse hinweg immer neu den Weg zum Miteinander suchen. Du legst deine Rechte auf uns und ermutigst uns auch in Zeiten des Schreckens: Fürchtet euch nicht!
Halte deine segnende Hand über allen, die in Zukunft in diesem Tunnel arbeiten oder als Reisende unterwegs sind. Das Wasser, das wir versprengen, soll uns Zeichen des Lebens sein, das du uns schenkst, des Vertrauens und der Freude. Dir sei Lob und Preis, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Tunnel wurde zweimal gesegnet

Die interreligiöse Zeremonie fand in einem Zugangsstollen unweit von Amsteg, zwei Kilometer im Bergesinnern und nur wenige Meter vom Basistunnel entfernt, statt, wie die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) meldet. Die Zeremonie wurde aus Sicherheitsgründen nicht im Basistunnel selber durchgeführt. Die Geistlichen waren laut SDA in Begleitung von Polzisten in den Zugangsstollen gefahren worden. Anwesend waren auch einige wenige Medienleute. Auf Bitten der Kameramänner hat Martin Werlen den Tunnel gleich zweimal gesegnet.

Werlen war von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) ursprünglich als alleiniger Vertreter der Christen nominiert gewesen. Dies hatte für Empörung auf reformierter Seite geführt. Daraufhin nominierte die AGCK in Absprache mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund die reformierte Pfarrerin Simona Rauch.

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Datum: 03.06.2016
Quelle: Livenet / idea Schweiz

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