Glaube in den Medien

«...ich strebe als Journalist nach Wahrheit»

Die «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) tritt durchaus für christliche Werte ein, doch eine säkulare Zeitung kann nicht einseitig das Christentum bevorzugen. Dies erklärt Markus Häfliger, Leiter der «NZZ»-Bundeshausredaktion. Häfliger äusserte sich in dem Interview auch zur Wahrheitsfrage.
Bundeshausredaktor Markus Häfliger

Medienwirksam sei es, wenn Christen etwas Interessantes tun. Die «NZZ» hat vor dem Bettag ausführlich darüber berichtet, dass 113 Bundesparlamentarier die Bevölkerung zum Beten auffordern.

Andrea Vonlanthen: Warum haben Sie diesem Gebetsruf einen so grossen Stellenwert eingeräumt?
Markus Häfliger: Es überrascht, wenn das halbe Parlament einen Aufruf zum Gebet unterschreibt. Es gibt die alte Journalistenweisheit «News is what's different». Eine Nachricht ist also das, was sich vom normalen Alltag unterscheidet. Unsere Geschichte über den Gebetsaufruf fiel deshalb auf. Es gab etliche Reaktionen, auch kritische, bis zur Frage: «Sind wir in einem Gottesstaat?» Es ist das Beste, was einem Medium passieren kann, wenn seine Artikel kontradiktorisch diskutiert werden.

Wie erklären Sie es, dass ein Gebetsaufruf von so vielen National- und Ständeräten unterschrieben wird?
Auch wenn die Kirchen schlecht besucht sind und wenn der Glaube als Privatsache gilt, verstehen sich immer noch viele Leute als Christen, auch Politiker. Vielleicht setzen sich viele mit ihren christlichen Wurzeln auch wieder mehr auseinander in einer Zeit, in der viele Muslime ihre Religion offensiv vertreten.

Warum beschäftigt sich auch eine «NZZ» nicht vermehrt mit dem christlichen Fundament unseres Landes?
Die «NZZ» ist eine liberale Zeitung, die dem säkularen Staat verpflichtet ist. Gleichzeitig anerkennt sie in ihrer Kommentierung, dass unser Land durch christliche Werte geprägt ist. So bringt die «NZZ» immer zu Weihnachten und Ostern Leitartikel mit theologischem Tiefgang, auf der Frontseite wohlgemerkt. Auch den Kirchen und ihrer Entwicklung sowie theologischen Fragen gibt die Zeitung breiten Raum – in den politischen Ressorts, besonders aber auch im Feuilleton.

Doch warum kommt Gott, den wir ja in unserer Bundesverfassung anrufen, in den Schweizer Massenmedien generell kaum mehr vor?
Ist es wirklich so? Nach meinen Beobachtungen werden Glaube und Religion heute mehr thematisiert als noch vor wenigen Jahren. Natürlich schreiben die Medien nicht, der christliche Gott sei der einzig wahre Gott. Die meisten Zeitungen verstehen sich heute politisch und religiös als Forumszeitung und unterstützen darum nicht bestimmte Richtungen. Der Glaube kann in den Medien aber nach wie vor präsent sein, wenn Menschen aus einer religiösen Motivation heraus etwas Interessantes tun.

Trägt nicht auch die «NZZ» wie andere seriöse Medien eine Verantwortung für die Erhaltung der christlich-abendländischen Werte?
Ich denke, dass die «NZZ» durchaus für viele Werte eintritt, die ihre Wurzeln im Christentum haben. Doch eine säkulare, politische Zeitung kann nicht einfach einseitig das Christentum in den Vordergrund stellen.

An wem läge es denn, diese Werte immer wieder in Erinnerung zu rufen und zu fördern?
Selbstverständlich an den Kirchen, aber auch an allen Leuten, die von diesen Werten überzeugt sind. Appelle alleine geben aber keine journalistischen Geschichten her. Dazu braucht es Menschen, die auf Basis dieser Werte Aussergewöhnliches tun.

Woran denken Sie dabei spontan?
An ein neues Projekt im aargauischen Holziken. Hier plant ein Verein namens Convivenda ein Mehrgenerationenhaus, in dem Jung und Alt zusammenleben und sich gegenseitig im Alltag unterstützen sollen. Der Verein sieht die Individualisierung und Vereinsamung vieler Menschen als Problem und versucht, eine Lösung anzubieten. Hier machen engagierte Christen mehr, als bloss ihre Mitbürger anzupredigen.

Machen Freikirchen zu wenig «mit Hand und Fuss», dass sie von den Massenmedien so stiefmütterlich behandelt werden?
Die Medien berichten durchaus über Freikirchen, aber halt oftmals kritisch. Warum ist das so? Ein Grund ist sicher, dass Freikirchen vielen Journalisten suspekt sind und rasch unter Sektenverdacht geraten. Das hängt zum einen damit zusammen, dass viele Journalisten wenig über Freikirchen wissen. Zum anderen liefern die Freikirchen auch immer wieder Bestätigungen für solche Vorurteile. Die Zersplitterung der freikirchlichen Szene macht es den Journalisten auch nicht einfacher, sich ein Bild zu machen.

Wann hat die «NZZ» letztmals einen positiven Beitrag über Freikirchen oder einen freikirchlich engagierten Christen gebracht?
Da kommen mir zwei Artikel in der «NZZ am Sonntag» in den Sinn. Zum Beispiel hat sie einmal darüber berichtet, dass die Evangelische Allianz auf Plakaten die Botschaft «Treue ist der beste Gummi» verbreitet hat. Das war eine kreative Reaktion auf eine Stopp-Aids-Kampagne des Bundes. Oder es gab ein Porträt über Jürg Opprecht, einen Unternehmer, der aus christlicher Motivation in Kirgistan Entwicklungshilfe betreibt und Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen hat.

Wo müssten Freikirchen also ansetzen, wenn Sie medial vermehrt wahrgenommen werden möchten?
Sie müssen Antworten auf Fragen geben, die die Gesellschaft wirklich stellt. Sie müssen kreativ sein, Überraschendes bieten. Und sie müssten die Klischees, die es über sie gibt, Lügen strafen.

Welche Klischees meinen Sie?
Freikirchen sind konservativ, lebensfeindlich, sie sind gegen Sex, gegen Homosexuelle, gegen Muslime und sie sammeln Unterschriften gegen den Vampir-Song von DJ Bobo. Sie sind immer gegen etwas. Ist das Evangelium, die gute Nachricht, aber wirklich so sehr Anti und nicht vielmehr Pro? Vor allem pro Mensch? Freikirchen haben dann Chancen, positiv rüber zu kommen, wenn sie kreative, konstruktive Ansätze finden.

Was raten Sie jungen Christen, die mit einem Engagement in den Medien liebäugeln?
Sie sollen nicht meinen, dass sie gleich einen Job bei der «Weltwoche» finden. Die meisten Journalisten fangen klein an, bei einer Schülerzeitung oder einer Lokalzeitung. Absolut unabdingbar ist korrektes Deutsch. Dann können sie auch Kurse besuchen.

Welcher grossen Herausforderung muss sich ein junger Christ in einem Massenmedium bewusst sein?

Er muss sich bewusst sein, dass er auf einer Redaktion nicht zuerst Christ ist, sondern Journalist. Er muss von persönlichen Überzeugungen abstrahieren können.

Was ist für Sie als Medienmacher Wahrheit?
Ich recherchiere und beschreibe aktuelle Vorgänge unabhängig von der Frage, wem die Information nützen oder schaden könnte.

Und was heisst Wahrheit für Sie als Christ?
Ich bin überzeugt, dass es Wahrheiten zu den zentralen Lebensfragen gibt. Also: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Welches ist der Sinn des Lebens? Zentrale Antworten auf diese Fragen lauten für mich: Gott existiert, er macht sich für mich als Mensch erfahrbar, und er steht bedingungslos zu mir.

Wie hilft Ihnen Ihr Glaube in Ihrer Aufgabe als Bundeshausredaktor?
Ich weiss, dass mein Wert als Mensch nicht davon abhängt, welche Schlagzeilen ich herausrecherchiere. Das entlastet. Und weil Wahrheit im Evangelium ein derart zentraler Wert ist, hilft mir das, auch als Journalist nach Wahrheit zu streben. Ich scheitere dabei auch. Doch dann weiss ich, dass ich für Fehler Vergebung finden kann.

Lesen Sie auch:
Das ausführliche Interview kann bei «Idea Spektrum Schweiz» in der 40 Ausgabe 2012 nachgelesen werden.
Wachsender Einfluss von Christen in Kultur und Medien

Datum: 09.10.2012
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: idea Schweiz

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