Aserbaidschan

«Sie brauchen Genehmigung, um über Religion zu sprechen»

Der Staat zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer schüchtert religiöse Minderheiten in sowjetischer Manier ein. Mit einer drastischen Gesetzesverschärfung sollen unerwünschte Gemeinden abgewürgt werden.
Wohnblocks im sowjetischen Stil in Sumgait, Aserbaidschan. (Foto: Wikipedia, Kjetil M. Bergem)

Mehr als 15 Polizeibeamte führten am Samstag, 11. Dezember eine Razzia beim Gottesdienst der Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten in Sumgait durch. Begleitet waren sie von Journalisten mit einer Videokamera und einem Beamten des Amts für religiöse Angelegenheiten Unter anderem wurden die 10 anwesenden Mitglieder der Adventgemeinde gefragt, wie viel man ihnen bezahlt hätte, um Christen zu werden.

Danach verhängte das örtliche Gericht hohe Geldstrafen gegen zwei Mitglieder der Gemeinschaft. Begründet wurde dies damit, dass die Gemeinde keine staatliche Genehmigung für Versammlungen habe. «Sie haben nicht gebetet, sie haben Vorträge gehalten. Das ist religiöse Propaganda», erklärte ein Polizeibeamter auf Befragen durch den Nachrichtendienst Forum 18.

Auf die Frage, ob die Polizei eine Razzia durchgeführt und das Gericht Geldstrafen verhängt hätte, wenn es bei dem Treffen um Fussball oder Schach gegangen wäre, antwortet der Beamte: «Sie brauchen keine Genehmigung, um über Schach oder Fussball zu sprechen, aber sie brauchen eine, um über Religion zu sprechen.»

Razzien bei Gottesdiensten von Religionsgemeinschaften, die der Regierung ein Dorn im Auge sind, werden in Aserbaidschan häufig angeordnet. Erst am 31. Oktober wurde das Erntedankfest der Baptistengemeinde in Kusar im Norden des Landes aufgelöst und vier Gemeindeglieder mussten für fünf Tage ins Gefängnis.

Gesetz drastisch verschärft

Die Geldstrafen gegen die Adventisten wurden eine Woche vor der Behandlung der Neufassung des Verwaltungsstrafgesetzes im aserbaidschanischen Parlament verhängt, durch die eine Verschärfung der Strafen für religiöse Betätigung nach Artikel 299 und möglicherweise auch Artikel 300 um das bis zu 15-fache erwartet wird.

Am 11. Dezember publizierte das Innenministerium auf seiner Website eine Presseaussendung über die Razzia. Darin wurde behauptet, die Adventisten wären eine «gesetzlich verbotene Glaubensgemeinschaft». Weiter wurde in der Presseaussendung erwähnt, dass Rustam Ahmedov, einer der Bestraften, moldawischer Staatsbürger ist («religiöse Propaganda durch Ausländer»). Die Anzahl der konfiszierten Bücher und CDs wurde übertrieben, es wurde behauptet, dass es sich ausschliesslich um Werke religiöser Propaganda handelte.

Auch «Tom und Jerry» konfisziert

Protestanten, die aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden wollen, erklärten gegenüber Forum 18, dass von der wahllosen Konfiskation nicht nur die religiösen Bücher, sondern auch Comics der Kinder wie «Tom und Jerry», Videos von Ahmedovs Hochzeit und von Geburtstagspartys seiner Kinder betroffen waren. Adventisten gibt es in Aserbaidschan seit über 100 Jahren, sie waren nie verboten. Auf der Website des Staatskomitees werden sie neben russisch Orthodoxen, Katholiken und Baptisten als «traditionelle Konfession» genannt.

Aufgrund seiner internationalen Menschenrechtsverpflichtungen ist es Aserbaidschan nicht gestattet, die Versammlungen von Religionsgemeinschaften zu verbieten, weil diese über keine staatliche Registrierung verfügen. Ein solches Verbot wird jedoch in der restriktiven Neufassung des Religionsgesetzes von 2009 vorausgesetzt, worin auch die Neuregistrierung aller Religionsgemeinschaften verfügt wurde. Nach dem Verwaltungsstrafgesetz ist religiöse Betätigung ohne staatliche Registrierung entgegen der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen strafbar.

Obwohl die Frist für die Neuregistrierung aller registrierten Religionsgemeinschaften zur Aufrechterhaltung ihrer Registrierung am 1. Januar 2010 abgelaufen ist, hat das Staatskomitee viele Anträge von Religionsgemeinschaften ignoriert oder abgelehnt.
 

Datum: 24.12.2010
Quelle: Livenet / Forum 18, Österreichische Evangelische Allianz

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