Interview

«Chrischona powered by Swisscom»

Beim evangelischen Gemeindewerk Chrischona sollen die richtigen Leute am richtigen Ort eingesetzt werden. Der «Chrischona-Berg» sollte den Puls der Gemeinden vermehrt spüren. Das meint der ehemalige Swisscom-Kadermann und neue Chrischona-Betriebsleiter Walter Stauffacher.
Walter Stauffacher in seinem Büro.
Martha und Walter Stauffacher


Welches ist Ihr Stossgebet am Morgen, wenn Sie nach St. Chrischona fahren?

Walter Stauffacher: Ich denke an das Gebet aus Jakobus 1,5, das an meiner Bürotür hängt, und bitte Gott um Weisheit für die anstehenden Herausforderungen, und dann auch darum, dass ich die Prioritäten des Tages richtig setzen werde.

Sie fahren täglich in die «Idylle von St. Chrischona»...
...mich erwartet keine Idylle, St. Chrischona ist keine heile Welt! Chrischona und der «Berg» sind Teil dieser Welt. Das erlebe ich täglich. Doch ich empfinde es als Vorrecht, in einem Werk arbeiten zu dürfen, das Gott selber geschaffen hat und das seit 1840 reich gesegnet wurde.

Was ist Ihnen dieser «gesegnete Ort» wert?
Meine bisherige berufliche Laufbahn aufzugeben und in einem Werk mit so grossem Potenzial für das Reich Gottes mitzuarbeiten. Ich tue das im Wissen, dass Gott zu Ende führt, was er anfängt.

Wie kommt ein Swisscom-Kadermann als Betriebsleiter zu Chrischona?
Dahinter steckt ein längerer Prozess. Viele Jahre wurde ich darin bestätigt, dass ich am richtigen Platz war. Doch immer mehr wuchs in mir der Wunsch, in einem Unternehmen arbeiten zu dürfen, das nach klaren christlich-ethischen Grundsätzen geführt wird, in dem nicht der Aktienkurs und der Gewinn an erster Stelle stehen. Im vergangenen Sommer, mitten in meinem Fragen vor Gott, konfrontierte mich ein Leitungsmitglied von Chrischona erstmals mit der Möglichkeit eines Wechsels. Da ich im Verein Chrischona Schweiz schon länger Delegierter und auch in der Gemeindeleitung tätig war, kannte man mich ein wenig. In Gesprächen mit den verantwortlichen Leitungspersonen, Gebeten mit meiner Frau und den Ältesten meiner Gemeinde wurde ich dann darin bestätigt, dass ich meine Erfahrungen und Kompetenzen hier einbringen sollte.

Was hat Sie überrascht, als Sie auf den «Berg» kamen?
Ich wusste ja schon viel über den «Berg» und gewisse Probleme. Überrascht hat mich aber doch, wie gross die Unterschiede sind zwischen der Unternehmenskultur von Chrischona und einem ausschliesslich gewinnorientierten, nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien geführten Unternehmen. Hier gilt es, einen guten Mittelweg zu finden. Dazu muss einiges neu entwickelt werden.

Wie definieren Sie den Betrieb, den Sie heute leiten?
Chrischona ist eigentlich ein KMU-Betrieb, ein kleines bis mittleres Unternehmen. Als Betriebsleiter bin ich hier verantwortlich für den ganzen technischen Dienst und Unterhalt – dazu gehören auch die Liegenschaften auf dem «Berg» –, dann für Hauswirtschaft und Gästebetrieb, schliesslich für Personalführung und Administration. Im Moment habe ich 20 Personen zu führen.

Wie haben Sie Ihre neue Aufgabe angepackt?
Mir war wichtig, zuerst Einblick in alle Bereiche zu bekommen und die Menschen bei der Arbeit kennen zu lernen. Es galt, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen. Dann habe ich eine Führungsstruktur definiert und ein dreiköpfiges Betriebsführungsteam eingeführt. Dazu habe ich mir einen Überblick verschafft im operativen und konzeptionellen Bereich, um die Führung effizient wahrnehmen zu können, den Kundennutzen zu erhöhen und die Abläufe zu vereinfachen.

Ihr Fazit nach drei Monaten?
Sicherheit, Ruhe, Stabilität, Vertrauen – da sind wir weitergekommen, wie mir auch die Mitarbeiter bestätigen. Wo es um die Selbstkompetenz und die Führungskompetenz von Mitarbeitern geht, da wartet noch ein Stück Arbeit auf uns. Der Wille, sich den Herausforderungen zu stellen, ist durchaus vorhanden. Es gibt verschiedene Baustellen. Eine wichtige ist zum Beispiel die Schnittstelle zwischen Studium und Arbeit in allen möglichen Bereichen.

Wie viel Leistung darf in einem christlichen Werk erwartet werden?
Ich erwarte einen vollen Einsatz im Rahmen der vereinbarten Arbeitsbedingungen. Ich will mit klaren Zielen arbeiten und auch gewisse bewährte Führungsinstrumente einsetzen.

Was kann Chrischona denn von der Swisscom lernen?
Was die Swisscom in einem sich schnell bewegenden Markt sehr gut macht: Auf Veränderungen wird schnell mit einer klaren Strategie und entsprechenden Zielsetzungen reagiert. Daraus abgeleitete Massnahmen und Aufträge werden präzis definiert, und dann wird mit hoher Professionalität und klarer Konsequenz umgesetzt und durchgesetzt.

Was hilft bei der Umsetzung besonders?
Zu klaren Führungsentscheiden gehört die sehr gute Kommunikation. Wichtig sind auch kurze Entscheidungswege, klar umschriebene Verantwortlichkeiten und ein konsequentes Kostenmanagement.

Chrischona litt in letzter Zeit unter häufigen Wechseln. Wie wollen Sie gute Mitarbeiter vermehrt halten?
Ich möchte sicherstellen, dass die richtigen Leute am richtigen Ort eingesetzt werden. Ich möchte eine Unternehmenskultur leben und vorleben, die Vertrauen schafft. Und neue Mitarbeiter sollen sehr sorgfältig ausgewählt werden.

Was heisst für Sie Mitarbeiter fördern?
Fordern und fördern gehören für mich zusammen. Ich möchte meinen Mitarbeitern helfen, an herausfordernden Aufgaben wachsen zu können. Und ich will ihnen in allem Wertschätzung entgegenbringen.

Ihre Ziele für 2005?
Die vakanten Stellen, wie Leiter Hauswartung und Liegenschaftenunterhalt sowie Hauswirtschaftliche Betriebsleiterin, sollen kompetent besetzt werden. Der Bereich Studium und Arbeit soll für alle Betroffenen definitiv und erfolgreich gelöst werden. Und die Mitarbeiter sollen in ihrer eigenen Kompetenz gefördert werden und spürbare Veränderungen erleben.

Wäre es zweckmässig, wenn Sie zur Leitung des Werkes gehören könnten?
Ich bin Mitglied der Seminarleitung. Als Betriebsleiter trage ich Führungsverantwortung im Rahmen meiner Aufgaben und verfüge über alle nötigen Informationen. Es läuft gut so.

Wie könnte der «Berg» die Identifikation der Gemeinden mit dem Werk und dem Theologischen Seminar fördern?
Projekte wie Besuchstage auf St. Chrischona oder Dienste von Dozenten und Studenten in Gemeinden sollten konsequent wahrgenommen und ausgebaut werden. Der «Berg» muss den Puls der Gemeinden fühlen! Hilfreich wäre zum Beispiel auch ein regelmässiger Austausch: Dozenten gehen in die Gemeinden oder Betriebe, arbeiten dort für eine bestimmte Zeit mit und spüren, was abgeht. Entscheidend ist auch eine kompetente Öffentlichkeitsarbeit.

Wenn Sie abends genug haben vom «Berg» – wie erholen Sie sich?
Wichtig ist, dass ich zu meiner Arbeit und den damit verbundenen Herausforderungen die nötige Distanz gewinnen kann. Ich erhole mich zu Hause in der Familie, in der Gemeinde, in der persönlichen Begegnung mit Gott. Dann bin ich gerne in der Natur und musiziere in verschiedenen Formen.

Ihr Dankgebet am Abend?
« Danke, Gott, dass du mich durch den Tag geführt hast, auch in vielen kleinen Entscheidungen. Danke, dass ich heute mit Freude am Werk sein durfte, trotz aller Schwierigkeiten.»

Interview: Andrea Vonlanthen

Datum: 12.04.2005
Quelle: Chrischona Magazin

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