Putin und der Patriarch

Orthodoxe Weihe für den herrschenden Kandidaten

Vor den Präsidentschaftswahlen in Russland am 4. März stützt der orthodoxe Kirchenleiter den Kreml-Kandidaten Putin. Dieser wird gar als der kommende Fürsprecher verfolgter Christen im Ausland hingestellt.
Die Basiliuskirche auf dem Roten Platz in Moskau

Patriarch Kyrill, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, trat eine Woche vor der Wahl bei einem Kongress der Volksfront von Ministerpräsident Putin auf. Kyrill verband patriotische und anti-kapitalistische Töne zum bekannten Akkord: Wenn in Russland Kräfte an die Macht kämen, die Konsum und Reichtum propagierten, drohe das Land seinen Grossmacht-Status zu verlieren.

Russland gemeinsam vor Feinden schützen

Von den oppositionellen Grossdemonstrationen sollten Gläubige fernbleiben, mahnte der Moskauer Patriarch und stattdessen im stillen Kämmerlein beten. Bei der Veranstaltung zur Unterstützung von Armee, Marine und Rüstungsindustrie warnte er auch vor einer «Informationsattacke», die Russland von innen und aussen bedrohe. «Der Kampf findet heute auf der Ebene der Ideen, Überzeugungen, Einstellungen und Weltanschauungen statt», sagte Kyrill.

Putin und die verfolgten Christen

Putin, der die TV-Kanäle beherrscht, hat sich die Unterstützung der orthodoxen Kirchenspitze vor langer Zeit gesichert. Der frühere KGB-Mann wird neuerdings gar als Beschützer verfolgter Christen hingestellt. Am 8. Februar berichtete die Nachrichtenagentur RIA, Putin habe bei einem Treffen mit Religionsführern «versprochen, im Falle seines Wahlsieges die Christen in den Ländern, wo sie Verfolgungen ausgesetzt sind, in Schutz zu nehmen».

Der Aussenbeauftragte des Moskauer Patriarchats hatte beim Treffen gesagt, alle fünf Minuten sterbe ein Christ für seinen Glauben. Er bat Putin, «den systematischen Schutz der Christen dort, wo sie verfolgt werden», zu einer Richtung der Aussenpolitik zu machen. «Zweifeln Sie nicht daran, dass das eben so sein wird», sagte Putin laut dem Bericht. 

Ein Wohltäter der Kirche…

Bei dem Treffen bezeichnete Patriarch Kyrill das Verhältnis von Staat und Kirche in den vergangenen zwölf Jahren, seit dem Machtantritt Putins, als ein «Wunder Gottes». (An den Schulen ist orthodoxer Religionsunterricht eingeführt worden.) Der Kirchenführer sprach dem Politiker, der nach dem Medwedew-Intermezzo seine dritte Amtszeit anstrebt, sein Vertrauen aus.

Putin seinerseits sagte bei der Begegnung zu, dass sich der Staat nicht in innerkirchliche Angelegenheiten einmischen werde. Ein besonderes Zückerchen hatte er bereit: Die Orthodoxen sollten einen eigenen TV-Sender erhalten – ein langgehegter Wunsch. Damit kann die Kirche noch mehr für den moralischen Wiederaufbau im durch die Kommunisten verwüsteten Russland tun.

…und auch getauft!

Im Januar, beim orthodoxen Weihnachtsfest, hatte sich Putin den orthodoxen Russen angedient mit dem überraschenden Bekenntnis, dass er als Säugling in der St. Petersburger Verklärungskirche heimlich getauft worden sei. Sein Vater lehnte als KP-Mitglied jede Form von Religion ab; der strebsame Wladimir machte in der Gottlosenpartei und ihrem Geheimdienst Karriere.

Grosses Wählerpotenzial

Der Grossteil der Russen, die nicht mehr gottlos sein wollen, fühlt sich kulturell der orthodoxen Kirche verbunden. Unter Putin sei es chic geworden, orthodox zu sein, schreibt der Russlandexperte Gerd Stricker in einem Beitrag für idea Spektrum. Putin habe das gewaltige Wählerpotenzial der früheren Volkskirche – geschätzte 100 Millionen Menschen – erkannt. Das Moskauer Patriarchat soll nach der Beinahe-Vernichtung unter Stalin im Riesenland wieder über 15‘000 Gemeinden verfügen. Die Kirche ist laut Stricker «die grösste gesellschaftliche Organisation im Lande», in dem der Kreml starke zivilgesellschaftliche Kräfte nicht aufkommen lässt.

Datum: 02.03.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / epd / RIA / idea

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