Selbstheirat

Sologamie und der Weg hinein in die Einsamkeit

Ehe gilt als «die» verbindliche Partnerschaft zwischen zwei Menschen. Doch ein Trend stellt das für einige infrage: Sologamie, die Praxis, sich selbst zu heiraten. Woher kommt die Idee und was bedeutet sie konkret?

Selena Gomez ist als Sängerin bekannt. Sie begann ihre Karriere als Kinderschauspielerin im Disney Channel. Letztes Jahr wurde sie dreissig und nutzte ihre Geburtstagsfeier zu einer besonderen Zeremonie – sie heiratete sich selbst. Laut NZZ erklärte sie dabei: «Ich dachte früher, ich wäre in meinem Alter schon verheiratet, also habe ich mir jetzt einfach selbst eine Hochzeit geschmissen.» Mit dieser Aktion ist die US-Künstlerin nicht allein, allerdings ist die Selbstheirat oder Sologamie rechtlich nicht als Heirat anerkannt.

Der Trend ist bereits älter

Aktuell zieht die Selbstheirat (kleine) Kreise, weil bekannte Personen wie Selena Gomez oder das Model Adriana Lima (siehe Instagram) darüber sprechen. Tatsächlich ist die Idee aber nicht neu. Sie soll bereits in den 1970er-Jahren umgesetzt worden sein. Eine breitere Öffentlichkeit erfuhr davon durch den Film «I me wed» (Ich habe mich geheiratet) oder 2003 durch die TV-Serie «Sex and the City», in der die fiktive Carrie Bradshaw sich selbst ehelichte.

Seit das Ganze – vor allem bei gutsituierten Frauen um die Dreissig aus den USA, Kanada, Europa und Japan – an Beliebtheit gewinnt, gibt es Anbieter («I married me»), die vom günstigen Ideenpaket bis hin zur Traubox oder zum Komplettangebot einer Feier mit Gästen für mehrere tausend Dollar die verschiedensten Pakete im Programm haben. Die Praxis reicht dabei vom Versprechen, das man sich selbst bei einem guten Glas Wein gibt, bis hin zur grossen Feier mit vielen Gästen, einer Hochzeitstorte, einem Trauredner und dem öffentlichen Gelöbnis, sich selbst die Treue zu halten.

Verschiedenste Motive

Das ursprüngliche Motiv vieler Frauen zur Sologamie war Rebellion gegen ein festgelegtes Rollenklischee als Ehefrau und Mutter. Sie wollen sich vom gesellschaftlichen Druck lösen, endlich «Mr. Right» zu finden, den scheinbar einzig möglichen Partner, und unterstreichen ihre Eigenständigkeit.

Dies ist immer noch weit verbreitet, aber keinesfalls das einzige Motiv. Die bisexuelle Inderin Kshama Bindu entschied sich laut NZZ zur Selbstheirat, «weil sie schon immer eine Braut habe sein wollen – aber nie eine Ehefrau». Gomez dagegen ist durchaus offen für eine Beziehung, hat sie nur noch nicht gefunden und will schon einmal feiern. Wieder andere haben Probleme, sich selbst zu lieben, und wollen sich mit einer Zeremonie zusprechen, sich in guten wie in schlechten Zeiten selbst mit Liebe, Respekt und Wohlwollen zu begegnen. Der Ring am Finger dient dabei der eigenen Erinnerung bzw. soll diesen Schwur auch für andere sichtbar machen. Vieles daran ist sehr verständlich, trotzdem bleibt offen, ob eine Selbstheirat die angesprochenen Fragen beantwortet.

Kritik

Einige sehen darin die Abwendung von patriarchalen Strukturen und feiern dies. Gerade aus feministischer Sicht wird jedoch auch Kritik laut, denn «Selbstheirat ist ein Paradebeispiel dafür, seinen feministischen (Hochzeits-)Kuchen zwar essen, ihn aber gleichzeitig auf dem Teller behalten zu wollen: Man bezeichnet sich selbst als emanzipierte Frau, lässt aber das System der Unterdrückung unangefochten», wie die Journalistin Elvia Wilk in der ZEIT unterstreicht. So ist die Selbstheirat für sie keine Ablehnung der Ehe, sondern eher ein Ausweichmanöver mit denselben Mitteln: «Wenn du eine Hochzeit zur Selbstzelebrierung wählst, kommt unweigerlich die Frage auf, ob du alleine wirklich glücklich bist. Und diese Frage hängt dann über dir wie ein verdammter nasser Schleier.»

Auch aus christlicher Sicht gibt es deutliche Kritik am Modell einer Selbstheirat. Von der ganzen Idee her ist Ehe auf ein partnerschaftliches Gegenüber angelegt und nicht ausschliesslich auf Selbstliebe. Natürlich gibt es ungesunde klischeehafte Erwartungen in Bezug auf Partnerschaften. Es gibt ungesunde Überhöhungen von Ehe als der besten und einzigen Art, erfüllt zu leben – dann wird schnell das Alte Testament zitiert: «Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei…» (1. Mose, Kapitel 2, Vers 18), genauso wie es eine Überbetonung des Singledaseins gibt, wie es Paulus unterstreicht: «Ich wollte, alle Menschen wären wie ich…» (1. Korinther, Kapitel 7, Vers 9).

Allerdings ist Sologamie offensichtlich keine Antwort auf diese Situationen. Stattdessen lassen sich Fragen rund um gewolltes oder ungewolltes Singledasein genauso auf andere Weise klären wie diejenigen rund um eine glückliche oder nicht so glückliche Paarbeziehung. Spannenderweise kommt die NZZ selbst ohne Bezug zum Glauben zu einem ähnlichen Schluss: «Worte wie Selbstliebe, Selbstwert und Selbstfürsorge haben Konjunktur. Man schaut auf sich selbst, wenn schon die Welt ringsherum aus den Fugen zu geraten droht. Man feiert sich selbst, zelebriert das Ich und sagt sich los vom Gegenüber. […] Doch wo hört die Selbstliebe auf und wo beginnt die Selbstverliebtheit? Der Narzissmus gar? Weniger in Mode sind zurzeit Worte wie Selbstkritik. Ob es bald eine Selbstscheidung braucht, um diese Fähigkeit zu erlangen?»

Datum: 11.01.2023
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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