Neue Forschungen

Christ sein in einer polarisierten Kultur

Die neuesten Umfrageergebnisse des renommierten Pew-Instituts bringen es an den Tag: die amerikanische Kultur polarisiert sich. Sie nähert sich der europäischen an. Missiologe Ed Stetzer sieht – im Gegensatz zu vielen Pessimisten – durchaus Chancen, vor allem die Chance, mehr «wie Jesus zu sein».
Amerikanische Kirche

Die neuesten Daten des Pew-Forschungsinstituts zeigen es: die Kluft zwischen überzeugten Gläubigen und säkularen Bürgern in den USA wird grösser. Die «nominellen Christen» rücken immer mehr von der Bezeichnung «christlich» ab. Während im Jahre 2007 noch 70% fest an einen Gott glaubten, sind es heute nur noch 61%. Das bedeutet, dass die eher unverbindliche Mitte zunimmt. Auf der anderen Seite blieb die Zahl der aktiven Christen in Kirchen und Gemeinden stabil. Die Zahl religös engagierter Menschen ist sogar leicht gewachsen: Die Anzahl derer, die mindestens wöchentlich in der Heiligen Schrift lesen, in einer kleinen Gruppe mitmachen und mindestens einmal in der Woche über ihren Glauben reden, hat leicht zugenommen.

Das bedeutet: das Land erlebt eine religiöse Polarisierung zwischen «aktiv christlich» und «säkular». Der Missiologe Ed Stetzer sieht in dieser Entwicklung eine Chance – und die Herausforderung, statt «traditionell christlich» immer mehr «wie Jesus» zu reagieren. Er stellt drei Haltungen vor, wie Christen in einer polarisierenden Gesellschaft wie Jesus leben und auftreten können.

1. Besser zuhören – vor allem Menschen, die nicht einverstanden sind

«Christen sind gut darin, schnell mit ihrem Glauben herauszuplatzen, und wir werden schnell laut, wenn jemand unseren Glauben nicht mag», hält Stetzer fest. «Viele wuchsen in einer Tradition auf, dass Amerika eine christliche Nation sei. Aber wir sind es einfach nicht – legal nicht und sozial auch nicht. Vielleicht sollten wir unsere Definition von 'christlich' neu überdenken.»

Stetzer schlägt vor, das Gespräch mit säkulären Menschen bewusst zu suchen und sie z.B. zu fragen «Wie können wir in unserer Gesellschaft in Frieden miteinander existieren?» Allzu oft beantworten Christen diese Frage zu schnell selbst. Stetzer: «Wir dürfen nie vergessen: wenn wir die Ohren anderer Menschen gewinnen wollen, müssen wir zuerst unsere eigenen Ohren brauchen. Wir folgen einem Mann, Jesus, der uns geboten hat, der Welt von ihm zu erzählen. Wenn wir zu schnell laut werden, kommen wir nie dazu, zu sagen, dass einer da ist, der sie genug liebt, dass er für sie gestorben ist. Wer hört schon gerne zu, wenn der andere laut wird?»

2. Menschen lieben, obwohl sie nicht einverstanden sind

«Christen müssen lernen, in Ruhe mit ungläubigen Menschen zu reden, trotz massiver Meinungsverschiedenheiten. Wir müssen sie lieben, auch wenn wir mit ihnen nicht einverstanden sind. Wir dürfen einfach keine Angst haben, dass wir einen Sündenvirus mitbekommen, wenn wir mit unserem ungläubigen Arbeitskollegen einen Kaffee trinken gehen. Wir können nicht Menschen ablehnen, sie meiden – und sie gleichzeitig erreichen wollen.» Mit jemandem reden gehöre zum «lieben» untrennbar dazu – wie Jesus es bei Simon, bei Zachäus oder mit der Frau am Brunnen gemacht hat.

Wenn der Trend so weitergeht, werden christliche Überzeugungen und Moral in den nächsten 20-30 Jahren immer mehr an den Rand gedrängt, hält Stetzer fest. Ungläubige Menschen sollten dann das Viertel der Bevölkerung, die sich als praktizierende Christen bekennen, anschauen und sagen: «Ich bin wirklich total nicht mit der Meinung dieser Leute einverstanden, aber ich weiss, dass ich ihnen wichtig bin und sie mich – und jeden Menschen – lieben.»

3. Menschen dahin führen, dass sie unseren Glauben verstehen

«Wir brauchen eine Renaissance der Evangelisation, die aus Beziehungen wächst», fährt der Missiologe fort. «Wir brauchen eine Leidenschaft, Zeugen zu sein – das fehlt im Moment in unseren Kirchen. Die Welt weiss, dass unsere Positionen anders sind – sie soll auch sehen, dass unsere Aktionen anders sind. Wir dürfen ihnen sagen, warum wir anders sind – aber wir müssen ein Leben leben, das uns die Glaubwürdigkeit dazu gibt. Wenn uns die Welt nicht an unserer Liebe erkennt, wird sie uns über unsere Differenzen und Uneinigkeiten definieren.

Wir können nicht erwarten, dass die Welt interessiert an unserer Geschichte von Jesus ist, wenn wir in anderen Fragen, die weniger Ewigkeitswert haben, wie eine misstönende Glocke klingen. Wenn unsere Lippen und unser Leben nicht übereinstimmen, haben wir gar nichts zu sagen.»

Der Kontrast wird grösser – die Chance

Stetzer schliesst: «Wir stehen in einer Schlüsselzeit, aber es ist kein Grund zur Entmutigung. Die Gesellschaft wird säkularer, und der Kontrast zu Christen wird deutlicher werden. Die grosse Frage ist darum: 'Wird dieser Kontrast zwischen einer immer weltlicheren Welt und Christen, die lieben und zuhören wie Jesus, Menschen zu ihm führen oder werden wir sie abstossen?' Der Weg von Jesus ist immer der bessere Weg.»

Zur Studie:
«Is the U.S. becoming less religious?»

Zum Thema:
Anders als das Klischee: Glaube in den USA abnehmend

Datum: 09.11.2015
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christianity Today

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