Mit der Bibel zum Yoga

Christliches Yoga – ein Widerspruch in sich?

Yoga liegt derzeit im Trend. Mittlerweile gibt es auch Angebote, die sich «christliches Yoga» nennen. Kann man eine ursprünglich südasiatische Praxis mit dem Christentum verbinden? Eine Theologin und Yoga-Lehrerin meint: Ja. Kritiker sehen jedoch Widersprüche zum christlichen Glauben.
Katharina Mutzbauer (Bild: Facebook)
Alexander Benatar, Mitarbeiter EZW

Katharina Mutzbauer sitzt im Schneidersitz auf ihrer Yogamatte. Mit einem «Hallo und herzlich Willkommen» begrüsst sie die Zuschauer zu ihrem YouTube-Video «Sonnengruss Flow am Morgen». Doch statt Yoga gibt es erst einmal einen geistlichen Input. «Was passt besser zum Begrüssen des Tages und zu Christus, dem Licht unseres Lebens, als der Sonnengruss?», fragt Mutzbauer. Das ganze Video dreht sich um den Bibelvers Johannes Kapitel 8, Vers 12, in dem Jesus sich als das Licht der Welt bezeichnet. Es folgt die Yoga-Übung «Sonnengruss». Zum Schluss gibt es einen Segen.

Die junge Frau ist ausgebildete Yoga-Lehrerin und derzeit Vikarin in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Mutzbauer praktiziert «christliches Yoga», zum Beispiel auf ihrem Youtube-Kanal «yoga himmelwaerts». Die Einheiten laufen oft so ab, wie eingangs beschrieben. «Wir bewegen unseren Körper unter einem Thema aus dem biblisch-christlichen Umfeld», sagt Mutzbauer im Interview. Sie erfahre Gottes Gnade und Geborgenheit dadurch oft ganz neu und werde still vor Gott. Die bewusste Atmung und die Übungen helfen ihr dabei. «Ich finde die Idee von Körpergebet total schön. So verstehe ich auch meine Praxis. Ein Gebet mit dem Körper und nichts anderes.» Doch weil sie dabei Yoga-Übungen ausführe und auch die entsprechende Ausbildung habe, nenne sie es «christliches Yoga». 

Zwischen Yoga und dem christlichen Glauben sieht Mutzbauer vor allem das Verbindende. Im Yoga seien Asana (die Körperhaltung), Pranajama (die Atmung) und Meditation wichtig. Die Körperübungen könne man damit verbinden, Geschöpf Gottes zu sein. Vom Gott gegebenen Atem spreche schon die Bibel in ihren ersten Kapiteln, auch Paulus betone das in Apostelgeschichte Kapitel 17 bei seiner Rede auf dem Areopag. Die Meditation komme für sie nahe an das Gebet heran. 

Verbindung zwischen Seele und Körper

Der Begriff «Yoga» kommt vom Verb «yuj» aus der altindischen Sprache Sanskrit. Es stammt ursprünglich aus dem landwirtschaftlichen Kontext und bedeutet soviel wie «binden», «verbinden» oder «anschirren», zum Beispiel einen Wagen anspannen oder anjochen. Es ist auch mit dem deutschen Wort «Joch» eng verwandt. Über die praktische Bedeutung hinaus sei der Begriff im Indischen vor allem philosophisch konnotiert, erklärt Alexander Benatar von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). Es gehe um die Vorstellung, dass die Seele in einem Wagen reist. Den Wagen stelle der Körper dar. Yoga sei das Joch oder das Geschirr, was die Seele mit dem Wagen verbinde. Das Bild des Anschirrens von Zugtieren vermittele die Aspekte des Yoga: Kräfte werden vereinigt, gebündelt und beherrscht.

Religiös oder nicht?

Man müsse bei Yoga zwischen Ursprung und Entwicklung unterscheiden, sagt Katharina Mutzbauer. «Eine der wichtigsten Schriften für die Yoga-Ausbildung ist das 'Yogasutra' von Patanjali aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Darin kommen keine Götter vor, nicht mal Körperübungen. Es geht allein darum, den Geist zur Ruhe zu führen.» Deshalb ist es für sie kein Widerspruch, als Christin Yoga zu machen. Die religiöse Dimension des Yoga, bei der es im Hinduismus darum geht, aus dem Kreislauf der Wiedergeburt auszubrechen und Erlösung zu finden, habe sich erst später entwickelt.

Nach Ansicht des Theologen Michael Kotsch, des Vorsitzenden des Bibelbundes, ist Yoga hingegen fest im Hinduismus verankert. «Yoga ist ein Heilsweg, einer der fünf des Hinduismus», sagt er. Wer Yoga ernst nehme, der könne weder nur die Übungen allein als Sport ausführen, wie es heutzutage oft praktiziert werde, noch es als Gebetspraxis sehen. Ein Indiz dafür ist für Kotsch, dass es bei dem grössten europäischen Yoga-Netzwerk «Yoga Vidya» mit Sitz in Horn-Bad Meinberg eindeutig um hinduistische Inhalte gehe. «Im Programm wird deutlich gesagt, dass körperliche Übungen lediglich ein Einstieg sind», sagt Kotsch. Das Yogasutra biete zudem viel Interpretationsspielraum. Zwar nenne es keine konkreten Götter, Brahman sei aber wichtig. «Brahman» ist nach hinduistischer Vorstellung die «Weltseele», ein unpersönliches, göttliches Konzept ohne Schöpfer. Kotsch sieht Yoga eher als «Konkurrenzveranstaltung» zum Christentum. «Yoga kann auch von Gott wegführen», gibt er zu bedenken. Vor allem für diejenigen, die es ernsthaft betrieben. Es sei nicht falsch, körperliche Übungen in der Verbindung mit Gott zu sehen, wie Mutzbauer es tut. «Ich würde es aber nicht mit Yoga verbinden.»

«Yoga ist keine Religion»

Von einer festen Verankerung des Yoga im Hinduismus zu sprechen, sei nicht ganz richtig, sagt Alexander Benatar. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und beschäftigte sich für seine Promotion mit Südasien. Yoga könne zwar nicht komplett losgelöst von seinen indischen Ursprüngen gesehen werden. Er bestätigt aber Mutzbauers Aussage, dass es anfangs lediglich um die Suche nach innerer Ruhe gegangen sei. Aber: «Es geht um das philosophische Ziel der Auflösung der Individualseele in einem grossen Ganzen.» Das ähnelt Kotschs Verständnis des Yogasutra. Dem Christentum sei das fremd. «Das heisst aber nicht, dass man Yoga nicht in der jüdisch-christlichen Glaubenspraxis fruchtbar machen könnte.» Yoga sei eine Meditationstechnik, die im südasiatischen Raum als Religionspraxis benutzt werde. «Man kann es im spirituellen Kontext ausüben, muss es aber nicht.» Yoga sei kein in sich geschlossenes, religiöses System.

«Yoga ist keine Religion und möchte auch nicht von einer Religion beansprucht werden», sagt auch Mutzbauer. So praktizierten auch nicht alle Hindus Yoga. Benatar betont, dass Yoga auch in Teilen des Buddhismus vertreten sei. Ihm selbst sei es bei einem Besuch einer Gruppe von Sikhs in Indien begegnet. Auch wenn Yoga keinen christlichen Ursprung hat, findet er: «Wenn man Yoga macht, bedeutet das nicht automatisch eine Abwendung vom christlichen Glauben.»

«Wenn man es entsprechend theologisch begründet, halte ich das für möglich», ist Benatars Antwort auf die Frage, ob christliches Yoga möglich ist. Denn: Glaubenspraxis und Kirche veränderten sich. Es brauche jedoch die passende Übersetzung. «Man könnte es mit biblischen Texten einleiten, die man durch Wiederholungen oder Übungen versucht zu verinnerlichen. Sodass Yoga ein Hilfsmittel ist, um ein Bibelwort fühlbar zu machen.» Das ähnelt Mutzbauers Praxis.

Benatar gibt wie Kotsch zu bedenken, dass Übergänge in eine religiöse Dimension fliessend sein können. Wer Yoga zunächst unverbindlich als Sport betreibe, könne durchaus unter einen fremden religiösen Einfluss geraten, wenn er zum Beispiel weitere Angebote der Lieblings-Yogalehrerin wahrnehme, bei denen es dann auf einmal eine spirituelle Dimension gebe. Mutzbauer empfiehlt, nichts mitzumachen, was man nicht verstehe oder wobei man sich unwohl fühle. So habe sie in ihrer Yoga-Ausbildung Sanskrit-Silben nicht mitgesprochen und stattdessen still für sich gebetet. Auch der ursprüngliche Gedanke der Yoga-Meditation, sich als Person und Seele vollkommen auflösen zu wollen, sei ihr fremd. «Wenn ich in der Bibel lese, Psalm 139 zum Beispiel, dann sehe ich, dass da ein Gott ist, der mich als Person kennen möchte. Und nicht, dass ich mich erstmal auflösen muss», sagt sie. 

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Zur Webseite:
Youtube-Kanal «yoga himmelwaerts» 

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Datum: 06.07.2021
Autor: Swanhild Zacharias
Quelle: PRO Medienmagazin

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