Wenn Muttersein alle Kraft kostet

«Es spielt keine Rolle, wie weit wir spazieren können…»

Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat Christine Hänni einen hohen Preis fürs Elternsein bezahlt. Drei ihrer vier Kinder leiden an Cystischer Fibrose (CF). Dass sie mit einem Sohn ein Buch veröffentlicht, ist aber nicht der einzige Lohn für frühere Mühen.
Christine und Markus Hänni (Bild: zVg)

«Die ersten sechs Jahre meiner Kindheit war ich umgeben von einem grossen, wunderschönen Garten.» Die Bilder von Natur, Blumen und Tiere prägten sich tief in der Erinnerung von Christine Hänni (*1947) ein. Damals ahnte sie nichts von entbehrungsreichen Jahren, die vor ihr lagen – und auch nichts von den Gemälden, die in späteren Jahren entstehen sollten. Die Liebe zur Natur zog sich aber durch alle Jahrzehnte hindurch.

Totaler Schock und ein Versprechen

Alles entwickelte sich gut. 1971 heiratete Christine ihren Daniel und ein Jahr später wurden die beiden Eltern einer Tochter, fünf Jahre später folgte ein Sohn und 1980 kamen noch eineiige Zwillinge zur Welt – zwei Jungs. Während den Familienferien hatte Markus, einer der Zwillinge, starken Husten. «Das gefiel mir nicht und ich brachte ihn zum Arzt.» Hartnäckig drängte Christine auf Untersuchungen und so stand letztlich der Verdacht von Cystischer Fibrose (CF) im Raum.

Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, wurden gleich alle vier Kinder untersucht. «Es war im Flur des Krankenhauses, als mir ein Arzt unterbreitete, dass alle meine drei Söhne CF haben.» Das war der totale Schock, eine Welt brach für Christine zusammen. Gleichzeitig befand sich Markus in katastrophalem Zustand. «Lieber Gott, nimm dieses Kind zu dir», betete sie. «Und wenn nicht, dann verspreche ich, mich mit aller Kraft um die Kinder zu kümmern.» Am nächsten Tag ging es Markus besser. Er war damals zweieinhalb Jahre alt. «Später erinnerte ich mich oft an mein Versprechen an Gott, mich mit aller Kraft um die Kinder zu kümmern.»

Harte und beschwerliche Jahre

Ein Arbeitskollege von Daniel hatte eine Tochter mit CF. «Dadurch hatten wir bereits eine Vorstellung, was auf uns zukommen könnte.» Für Christine stellte sich einzig die Frage, ob ihre Kraft zum Umsorgen von drei kranken Kindern reichte. Der neue Alltag stellte sich schnell ein. Vormittags brauchte jeder der drei Jungs eine mehr als einstündige Therapie, welche am Nachmittag noch einmal wiederholt wurde. Dazu kamen haufenweise Tabletten und Medikamente sowie wichtige Zwischenmahlzeiten. Auch viele Arzt- und Spitalbesuche gehörten ab sofort zum Alltag und erwiesen sich zusätzlich als kräfteraubend. Daneben war noch ihre gesunde Tochter, die eigentlich ein ganz normales Leben hätte führen sollen. Aufgrund der Krankheit ihrer Brüder war dies nicht immer einfach.

«Es war sehr streng und manchmal funktionierte ich nur noch irgendwie.» Dass Christine grundsätzlich Kinder liebt, war eine grosse Hilfe. Jährlich war Markus ein bis viermal für mindestens 14 Tage im Krankenhaus und zwischendurch brauchte auch sein Zwillingsbruder einen Spitalaufenthalt. Zu Hause wurde sie von Therapeutinnen unterstützt und mit fortschreitendem Alter lernten die Jungs, ihre Therapie selbst zu übernehmen. Aber es blieb anstrengend. Dazu kam die ständige Ungewissheit. Die häufig gehörte Prognose «eure Söhne werden das Erwachsenenalter nicht erreichen» ging ihr nahe. Auch Daniel musste vieles zurückstellen, Karrieremöglichkeiten ausschlagen und in der Freizeit mitanpacken.

Auch ein beschwertes Leben hat schöne Seiten

Möglichkeiten, als Familie etwas zu unternehmen, gab es nur wenig. Christine lernte aber, die kleinen Dinge des Lebens zu geniessen. Oft war es die Natur, welche sie erfreute und dazu genügten Minuten des Staunens über Gottes Schöpfung. Auch wenn sich das Leben in einem relativ engen Radius abspielte, gab es dabei viel Schönes. Irgendwann formulierte Christine, was in der Folge zu ihrem Motto wurde: «Es spielt keine Rolle, wie weit wir spazieren können, sondern was wir unterwegs sehen.»

Zeit für Beziehungen hatte Christine in diesen Jahren wenig. Umso bedeutsamer wurde die Familie, mit welcher sie viele schöne Momente erlebte. «Ich hatte eine gute Kindheit», bestätigt Markus Hänni. «Trotz Spitalaufenthalten, Therapien und Einschränkungen.» Er merkte zwar, dass er und seine Brüder anders waren als andere Kinder, doch das plagte ihn kaum.

Die Berufswahl gestaltete sich schwierig. Einerseits wegen den Wunschvorstellungen, die aufgrund der vielen Absenzen und sonstigen krankheitsbedingten Einschränkungen nicht erfüllt werden konnten, aber auch aufgrund mangelnder Lebensperspektive. Letztlich absolvierten Markus und seine Brüder alle eine kaufmännische Lehre. Auch die medizinischen Möglichkeiten für CF-Patienten wurden immer besser und so geniessen sie heute eine Lebensqualität, die vor zwei Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre. Christine freut sich, dass alle Söhne glücklich verheiratet sind.

Ein Buchprojekt von Mutter und Sohn

Die Beziehung von Christine und Markus ist bis heute intensiv geblieben. Lange Zeit hätte Christine nicht zu träumen gewagt, dass ihr Sohn den 40. Geburtstag feiern und sogar selbst Kinder haben würde. Doch all dies geschah und ist ihr Lohn für die unzähligen Stunden, die sie in die Betreuung ihrer Kinder gesteckt hatte.

Aufgrund der vielen Beobachtungen der Natur, welche Christine seit jeher begeistern, begann sie bereits als kleines Mädchen zu malen. Diese kreative Tätigkeit ist für sie ein Langzeit-Hobby, welches ihr den nötigen Ausgleich zum Alltag und neue Energie schenkt. Das jahrzehntelange Kunstschaffen von Christine findet im Buch «Tiere in Wald und Bergen» seine Krönung und bildet gleichzeitig ein Resümee ihres Wirkens.

«Die Zusammenarbeit war sehr gut», blickt Markus freudig zurück. «Die Idee, mit meiner Mutter ein Projekt umzusetzen, hatte ich beim Anblick eines Kunstsammler-Buches, das in einem Hotel auflag.» Und dann nahm die Arbeit ihren Lauf, bis sie das Buch letztlich in Händen halten konnten. «Tiere in Wald und Bergen» vereint Kunst und Tierwelt zu einem authentischen Gesamtkunstwerk im Spiegel der Jahreszeiten und lädt dazu ein, Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und zu bestimmen.

Bei einer Bestellung über Markus setzen Illustratorin und Autor den Verkaufserlös für nachhaltige Projekte im Bereich Natur- und Artenschutz ein und unterstützen insbesondere die Schweizerische Vogelwarte, da die beiden Vogelfans dazu beitragen möchten, dass das harmonische Vogelgezwitscher an den Frühlingsmorgen nicht verstummt.

Zum Buch:
Tiere in Wald und Bergen 

Zum Thema:
Trotz Cystischer Fibrose: Markus Hänni: «Ich bin eine fröhliche Natur»
Zwei Söhne mit Beeinträchtigung: «Es ist alles gut!»
Leben mit behindertem Kind: «Gottes Wege sind gut, auch wenn es Umwege sind»

Datum: 08.08.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung