In Indonesien

Eine Synagoge im grössten muslimischen Land

Rabbi Yaakov Baruch führt die einzige staatlich anerkannte Synagoge in Indonesien.
Indonesien ist das grösste muslimische Land der Welt. Juden werden dort nicht erfasst. Aber es gibt eine anerkannte Synagoge. Eigentlich werden Juden in Indonesien gehasst. Wie Rabbi Yaakov Baruch und seine Gemeinde in diesem Umfeld überleben.

Die wenigen Juden in der indonesischen Hauptstadt Jakarta müssen bei praktisch allen Pro-Palästina-Demonstrationen mitansehen, wie die israelische Flagge verbrannt wird. Eine Studie des Forschungsunternehmens Saiful Mujani zeigt, dass 51 Prozent der Indonesier keine Juden als Nachbarn haben möchten und 61 Prozent keine Juden in öffentlichen Ämtern sehen wollen. «Die Indonesier sehen die Juden im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts. Daher gibt es eine starke antijüdische Stimmung wegen ihrer Haltung gegen Israel», erklärt Rabbi Yaakov Baruch gegenüber Channel News Asia (CNA).

Der 41-jährige Rabbi hat einen protestantischen Vater und eine muslimische Mutter. Heute leitet er die kalksteinverkleidete Synagoge Sha'ar Hashamayim in der kleinen indonesischen Stadt Tondano im abgelegenen Dschungel. Die Synagoge hat er 2004 aus einem baufälligen Haus aus der holländischen Kolonialzeit erbaut. Sie ist der einzige Ort, an dem Juden in dem mehrheitlich muslimischen Indonesien ihre Religion frei ausüben können. Yaakov Baruch hatte mit 15 Jahren seine jüdische Abstammung entdeckt und ist als 17-jähriger zum Judentum konvertiert. Sein Urgrossvater mütterlicherseits war Elias van Beugen, ein jüdischer Einwanderer aus den Niederlanden. Neben seinem Amt als Rabbi ist er Dozent für internationales Recht an der örtlichen Universität Sam Ratulangi, wie er seine Geschichte auf YouTube erzählt. 

Ausbilden – nicht bekämpfen

Den Hass gegen die Juden hatte Yaakov Baruch schon vor zwei Jahren erfahren: Er hatte lediglich versucht, Toleranz und Verständnis zu fördern, als er neben der Synagoge ein winziges Museum mit nur einer Handvoll Gegenstände eröffnete, das den Opfern des Holocaust gewidmet war. Er wollte seiner eigenen Verwandten gedenken, die während des Holocausts getötet wurden, da seine Grossmutter 40 Verwandte verloren hat. Rabbi Baruch möchte die Indonesier über den Holocaust aufklären, was seiner Meinung nach dringend notwendig ist. «Sie sagten, dass das Museum eine israelische Propaganda sei. Ich habe lediglich versucht, die Menschen über diese dunkle Zeit der Geschichte und die Gefahren des Rassismus aufzuklären», erzählt er gegenüber CNA.

Die negativen Reaktionen im Land gingen damals um die Welt. Indonesien gilt als eines der judenfeindlichsten Länder der Welt, stellte das Pew Research Center in Washington 2010 fest. Das in einem Staatsgebiet, wo es auf mehr als 18’000 Inseln viele Hundert Ethnien, Sprachen und Überzeugungen gibt. Rabbi Baruchs Gemeinde zählt etwa 30 Menschen. Es gab noch eine Synagoge auf der indonesischen Insel Java, doch steht da heute ein Einkaufszentrum. 50 Personen aus mehreren indonesischen Regionen kommen online zu den Gottesdiensten von Rabbi Benjamin Meijer-Verbrugge zusammen. Die wenigsten Indonesier kennen also einen Juden persönlich. Warum dieser Antisemitismus? «Mangel an Bildung. Daher sollte man die Menschen ausbilden und nicht bekämpfen», sagt Baruch. Er will Hass und Ignoranz mit Liebe und Verständnis begegnen. Ob ihn die Unwissenheit der Menschen manchmal wütend machen, fragte der «Tages Anzeiger» den Rabbi: «Wütend?» Er zieht die Schultern hoch, «aber nein, er habe nur Liebe in seinem Herzen».

Solidarität inmitten eines Konflikts 

Die Times of Israel berichtete im Dezember, dass Juden in Jakarta sich nicht mehr trauen, den siebenarmigen Leuchter – die Menora – ins Fenster zu stellen. Und dass die Leute auf Java mittlerweile «Tod den Juden» schreien, wenn sie einen Juden als solchen erkennen. Woher dieser Hass kommt? Seit Oktober sind die Nachrichten in Indonesien täglich voll mit Bildern des zerbombten Gazastreifens und getöteter palästinensischer Kinder. Rabbi Baruch hängte Plakate der israelischen Geiseln an die Wände der Synagoge, damit Juden und Nicht-Juden kommen können, um dort für die Sicherheit aller Geiseln zu beten: «Ich habe interreligiöse muslimische und christliche Führer eingeladen, um für die Sicherheit des israelischen und palästinensischen Volkes zu beten. Ich möchte ihnen zeigen, dass wir Mitgefühl haben», erklärt der Rabbi. «Wenn ich interreligiöse Gebete spreche, kommen nicht nur christliche und muslimische Führer, sondern auch buddhistische Führer und Anglikaner», sagte er. Seine Gemeinde kommt ohne Wachmann oder Polizei aus. Selbst der Imam und die christlichen Pfarrer im Ort würden sich hier um die Juden kümmern. «Sie fragen regelmässig nach, ob es uns gut geht und ob wir uns sicher fühlen.» Dies ist ein Beispiel für Solidarität inmitten eines tragischen Konflikts. 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dienstagsmail.

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Datum: 02.04.2024
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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