Schweiz. Evangelische Allianz

Keine Berührungsängste mit Katholiken

Die Gemeinsamkeiten zwischen evangelikalen Christen und der römisch-katholischen Kirche überwiegen weit über bestehende Differenzen. Dies betonte der Theologe und Soziologe Thomas Schirrmacher vor den Delegierten der Evangelischen Allianz SEA in Bern. Die SEA bekräftigt diese Haltung in einem Arbeitspapier über das Verhältnis mit den Katholiken.
Delegiertenversammlung der SEA mit Thomas Schirrmacher
Thomas Schirrmacher

Die Annäherung zwischen «evangelikalen» Christen und der katholischen Kirche ist weiter fortgeschritten, als es an der evangelischen Basis und in den Gemeinden wahrgenommen wird. Diesen Eindruck weckt das Arbeitspapier «Verhältnis der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) zur römisch-katholischen Kirche / 500 Jahre nach der Reformation». Es wurde an der Delegiertenversammlung der SEA am Samstag offiziell lanciert und durch Thomas Schirrmacher, Präsident der Kommission für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz untermauert.

Letzter Zankapfel: Marienverehrung

Das hat seine Gründe. Thomas Schirrmacher weist zum Beispiel darauf hin, dass der «evangelikale Flügel» innerhalb der katholischen Kirche stark an Bedeutung gewonnen habe, und dass der aktuelle Papst Vertreter dieses Flügels sei. Schirrmacher muss es wissen, kann er doch auf sage und schreibe 26 Treffen mit Franziskus verweisen. Daraus ist sein Buch mit dem fast saloppen Titel «Kaffeepausen mit dem Papst» entstanden.

Schirrmacher kann so weit gehen zu sagen, dass die katholische Kirche in allen wesentlichen Fragen mit der Haltung der Christen in der Weltweiten Evangelischen Allianz übereinstimme. Mit einer Ausnahme: der Marienverehrung. Er verheimlicht allerdings auch nicht, dass es noch Länder wie Brasilien gibt, wo sich Katholiken und Evangelikale als Gegner sehen. Ebenso unterschiedlich sei das Verhältnis im örtlichen Kontext, wo es oft auf die Persönlichkeiten der Gemeindeleiter und Pfarrer ankomme.

Vernehmlassungsergebnisse eingebaut

An der SEA-DV wurde das Arbeitspapier nicht grundsätzlich hinterfragt. Es gab vor der Fertigstellung eine Vernehmlassung dazu, deren Ergebnisse zum Teil in das Papier eingeflossen sind, wie in Bern betont wurde. Daher weiss sich die SEA auch darin unterstützt, auf die Schweizerische Bischofskonferenz zuzugehen mit dem Ziel, sich regelmässig auszutauschen, wie dies bereits mit den Gremien der reformierten Kirche geschieht.

Ein Dokument belegt grosse Veränderungen

Das aktuelle Arbeitspapier wäre wohl ohne den aktuellen Papst Franziskus nicht so schnell geschrieben worden. Dieser hat mit zeichenhaften Handlungen wie zum Beispiel den Besuch einer Pfingstgemeinde in Rom, in der er sich für Verfehlungen von Katholiken gegenüber Pfingstlern entschuldigt hat, viel Vertrauen erarbeitet. Auch Gespräche auf hoher Ebene mit den Pfingstkirchen und Vertretern der Weltweiten Evangelischen Allianz laufen schon lange, ohne dass diese breit wahrgenommen werden oder auch die Basis erreichen.

Das Arbeitspapier der SEA ist ein Beleg dafür, wie viel sich – auch schon im lokalen Kontext – in den letzten Jahren verändert hat. Dass die Übereinstimmung nicht nur ethische und gesellschaftspolitischer Natur (Lebensschutz, Ehe und Familie, Homosexualität) ist, sondern auch in der Christologie und Soteriologie (Lehre von der Errettung) angekommen ist, wurde bislang weniger wahrgenommen. Allenfalls von Leuten, die das Jesus-Buch von Benedikt XVI gelesen haben.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Dennoch gilt es nach wie vor Rücksicht aufeinander zu nehmen, wenn zum Beispiel gemeinsame Gottesdienste durchgeführt werden. Katholiken werden dabei auf Marienverehrung und Anrufung von Heiligen verzichten und Freikirchler auf Gebete zur Bekehrung von Katholiken. Auch bleibt man sich gegenseitig bewusst, dass es auch bei Lehrfragen wie Taufe, Abendmahl, Geistestaufe oder Dienst der Frauen weiterhin unterschiedliche Positionen gibt.

«Die gegenseitige Anerkennung als Christen und als christliche Kirchen bildet die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe», heisst es im Schlusskapitel des Arbeitspapiers. Dass gerade das römisch-katholische Kirchenverständnis ein Stolperstein sein kann, wird dabei nicht verschwiegen, dürfe aber kein Hindernis für ein gemeinsames christliches Zeugnis vor der Welt sein. Dabei sollten sich Christen aus der SEA bei gemeinsamen öffentlichen Auftritten mit der katholischen Kirche nicht verstecken, sondern auch ihr SEA-Logo oder diejenigen der beteiligten Freikirchen zeigen.

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Datum: 22.05.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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