Ermutigung pur

Losungen – ein Wort für jeden Tag

Gerade wurden die Herrnhuter Losungen für 2022 gezogen. Was heute irgendwo zwischen selbstverständlich und archaisch rangiert, war einmal eine sehr persönliche und hilfreiche Art der Ermutigung. Das Ganze begann am 3. Mai 1728 im sächsischen Herrnhut…
Herrenhuter Losungen

Die abendliche Singstunde der Brüdergemeine an diesem Tag war fast vorbei, da gab Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf aus einem Impuls heraus der Gemeinde einen Liedvers für den kommenden Tag mit: «Liebe hat ihn hergetrieben, Liebe riss ihn von dem Thron, und wir sollten ihn nicht lieben?» So begann eine fast 300-jährige Erfolgsgeschichte. Denn die Dorfbewohner von Herrnhut fanden Gefallen an der «Parole für den Tag». Die Bibelverse und Lieder wurden schnell zu einem wichtigen Kommunikationsmittel. Zinzendorf nannte sie «fortgesetzte Gespräche des Heilands mit der Gemeinde». Jeden Morgen ging von da an ein Bote an alle 32 Türen im Dörfchen und rief der Hausgemeinschaft die Tageslosung zu. (Wenn heute ein Prediger vor seiner Gemeinde steht und ihr «ein Wort zuruft», dann klingt unter anderem diese Tradition an.) Dabei ging es von vorneherein nicht nur einseitig um Verkündigung. Die Familien gaben dem Boten auch Gebetsanliegen mit, die am Abend von allen mitgetragen wurden.

Losungen in der Brüdergemeine

Die Christen in Herrnhut gehörten zu den sogenannten Böhmischen Brüdern. Sie flohen im Zuge der Gegenreformation auf das Gut des Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760). Dort konnten sie in seinem Schutz und unter des «Herrn Hut» ihren Glauben leben. Dieser war sehr praktisch orientiert: gemeinsames Leben und Arbeiten, ganzheitliche Mission, tiefe persönliche Frömmigkeit und ökumenische Weite kennzeichnen die Brüdergemeine noch heute. Als Zinzendorf erkannte, dass die täglichen Losungen der Gemeinde dabei halfen, Gottes Wort «ins Gemüt und ins Herz» hineinzunehmen, beschloss er, die einzelnen Tagesgedanken für ein Jahr im Voraus festzulegen – sie auszulosen – und als Losungsbuch herauszugeben. Das war 1731, und seit damals erscheinen die Losungen bis heute ununterbrochen jedes Jahr.

Losungen in schweren Zeiten

In den ersten Jahren der Brüdergemeine, besonders nach Zinzendorfs Tod, ging die junge Kirche durch manche Schwierigkeiten, doch die Losungen begleiteten sie hindurch. Mehr noch: durch die Missionsarbeit erfuhren sie weltweite Verbreitung. Die einzige echte Krise gab es zur Zeit des Nationalsozialismus. Mit dem Verweis auf die herrschende Papierknappheit wurde die Produktion der Losungen 1943 untersagt. Christen aus Schweden sprangen ein und spendeten das nötige Papier – eine Druckgenehmigung gab es trotzdem nicht. Die Brüdergemeine bat daraufhin den schwedischen Forscher Sven Hedin um Hilfe, der seinen Einfluss bei Joseph Goebbels geltend machte und diesem schrieb, wie sehr ihm die Losungen am Herzen lagen. Goebbels erfüllte seinen Wunsch – nicht ohne zu betonen, dass er persönlich sich trotz der Materialknappheit dafür eingesetzt hätte. Das Ergebnis war: Die Losungen konnten weiterhin erscheinen.

Losungen für heute

Heute gibt es zig Ausgaben der Losungen – das reicht von der ursprachlichen in Griechisch und Hebräisch über die Grossdruckausgabe bis zu der für junge Menschen. Sie werden in 61 Sprachen übersetzt. Allein die deutsche Auflage liegt dabei bei über einer Million. Längst hat es sich etabliert, dass Anfang Mai (dieses Jahr am 15.) die alttestamentlichen Losungsverse gezogen werden, die im übernächsten Jahr gedruckt werden. Dazu werden dann noch ein neutestamentlicher Vers und eine Liedstrophe ausgesucht. Dieses Konzept der Losungen ist seit vielen Jahren unverändert. Ihre Wirkung auch: Sie ermutigen Christen in der Nachfolge und geben ihnen einen guten Gedanken aus Gottes Wort mit, der ihren Tag prägt. Und zwar egal, ob dieser im typischen blauen Buch am Frühstückstisch gelesen wird oder während der Arbeit als Nachricht auf dem Handy erscheint. Ermutigung veraltet nicht.

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Datum: 22.05.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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