Warum musste Jesus leiden?

Jesus litt unbeschreibliche Qualen, als er auf dem Hügel Golgatha am Kreuz hing. Eigentlich war er unschuldig – und trotzdem wehrte er sich nicht. Weshalb musste Jesus leiden? Eine Osterpredigt.

1. Das Brockhaus-Lexikon über Jesus

Ich werde zuerst den geschichtlichen Hintergrund von Jesus Christus schildern, um mich dann unserer Frage zu widmen. Sie wird dann verständlicher.

Im Brockhaus Lexikon, die Ausgabe, die von 1993-2006 erstellt wurde, ist zu lesen: „Jesus Christus, zentrale Gestalt des Christentums, Mittelpunkt der Verkündigung im Neuen Testament und in der christlichen Predigt. Gekreuzigt in Golgatha (heute Jerusalem) um 30 n.Christus. Historisch ist Jesus Christus nahezu ausschliesslich über die zwischen 70 und 150 verfassten Evangelien des Neuen Testaments zu erschliessen. Die wenigen ausserbiblischen Quellen, Josephus Flavius, Plinius der Jüngere, Sueton, Tacitus bestätigen die Existenz Jesu als historische Persönlichkeit, nach Tacitus wurde er unter dem Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet.“ So viel zum Brockhaus-Lexikon.

2. Das Leben von Jesus und seine Besonderheiten

Die vier Evangelien des Neuen Testaments, Matthäus, Markus, Lukas und Johannes geben uns vier verschiedene und persönlich gefärbte Lebensbilder von Jesus Christus. Jeder der vier setzt verschiedene Akzente, trifft eine eigene Auswahl aus der Fülle der mündlichen Überlieferung, ordnet die Geschehnisse zum Teil verschieden an. Gemeinsam ergeben sie einen erstaunlich genauen Einblick in die Lebens- und Sterbensgeschichte von Jesus Christus. Vier Dinge fallen an ihren Berichten besonders auf:

2.1. Sein hoher Anspruch

Jesus, ein ehemaliger Zimmermann, der mit 30 Jahren seinen Beruf verliess und ein reisender Prediger wurde, ein Rabbi, wie die jüdischen Lehrer genannt wurden, erhob einen ausserordentlich hohen Anspruch. Er behauptete, der Sohn Gottes zu sein, in einer besonderen, einzigartigen Beziehung zu Gott zu stehen. Er erklärte, aus der Gegenwart des allerhöchsten Gottes, des Schöpfers der Welt, zu den Menschen gesandt worden zu sein, um sie in eine persönliche Gemeinschaft mit diesem Gott zurückzubringen. Er wollte sie unter die liebevolle und heilende Herrschaft des ewigen und einzigen Gottes bringen. Jesus nannte ihn Vater, eine damals unerhörte Bezeichnung.

2.2. Seine bedingungslose und wirksame Liebe

Seine härtesten Gegner sagten über ihn, als er am Kreuz hing: Andern hat er geholfen, nun soll er doch sich selbst helfen. Sie erkannten widerwillig an, dass er anderen geholfen hatte. Das war auch nicht zu verleugnen. Er hatte unzählige Kranke geheilt, massiv geistesgestörten Menschen wieder zu klarem Kopf verholfen, Menschen aus allen Schichten getröstet und in ihnen neuen Glauben an einen liebenden Gott geweckt.

- Prostituierte hatten ein neues Leben begonnen,
- korrupte Beamte hatten ihre Verfehlungen bekannt und Wiedergutmachungsmassnahmen eingeleitet,
- bodenständige Fischer vom See Genezareth, harte Kerle, waren ihm bedingungslos gefolgt und hatten begonnen, nach seinem Vorbild ihren Lebensstil zu verändern: zu lieben, statt zu hassen, zu geben, statt dem Profit zu frönen, zu dienen, statt zu herrschen.
- Im ganzen Land Israel, besonders im armen Norden hatte er Spuren hinterlassen: Staunen, Dankbarkeit, Ehrfurcht, Begeisterung, geheilte Leiber und geheilte Beziehungen.

Wenn jemand glaubwürdig war, war es dieser Mann!

2.3. Sein schrecklicher Tod

Detailliert, aber nicht ausgeschmückt, wird geschildert, wie er von den jüdischen Behörden mit der Hilfe des römischen Statthalters zum Tode verurteilt wurde und am Kreuz in unsäglichen Qualen starb wie ein Verbrecher, wie ein gemeiner Mörder. Und zwar nachdem er selber mehrere Male seine eigene Todesart vorhergesagt hatte und nichts unternommen hatte, um das zu verhindern. Das war sehr seltsam.

2.4. Seine Auferstehung

Es wird noch seltsamer. Nachdem er am Abend der Kreuzigung in das ausgehauene Felsengrab eines reichen Freundes gelegt worden war, fanden einige Frauen und Männer seiner engsten Anhängerschaft am Morgen des übernächsten Tages, als sie den Leichnam einbalsamieren wollten, das Grab leer.

Ihr enormer Schock wich fassungslosem Erstaunen, als Jesus ihnen sichtbar erschien, lebendig und wohlauf. Das geschah über einen Zeitraum von fast 6 Wochen wiederholt. Sie konnten ihn anfassen, er ass vor ihnen, unterhielt sich mit ihnen und verschwand wieder so plötzlich, wie er gekommen war. Schliesslich verabschiedete er sich endgültig von ihnen, versprach ihnen aber, ihnen nach einigen Tagen seinen Geist und seine Kraft zu senden. So geschah es dann auch.

Nun begann die christliche Gemeinde, die sich dann in der ganzen Welt ausbreitete. Später verlor sie leider oft den Kontakt zu den ursprünglichen Ereignissen und entartete zur leeren christlichen Religion. Doch bis zum heutigen Tag bezeugen viele Menschen auf der Welt, ich rede dabei nicht von den so genannten Namenschristen, diesen Jesus persönlich kennen gelernt und durch ihn Gott als liebendes Gegenüber erfahren zu haben. Um nicht zu reden von den zahlreichen positiven Veränderungen im eigenen Denken, Tun und Wollen.

Vier Dinge sind also bemerkenswert an seinem Leben: Sein hoher Anspruch, seine Glaubwürdigkeit durch die heilende Kraft und Liebe, die er ausstrahlte, sein furchtbares Sterben am Kreuz und seine von vielen Menschen bezeugte Auferstehung.

3. Das rätselhafte Leiden von Jesus

Warum beendete dieser Mann sein irdisches Leben unter grässlichen Qualen an einem Kreuz? War das einfach Pech? War das einfach eine unglückselige Verkettung unglückseliger Umstände? War er von Gott verflucht und zu Recht bestraft, weil seine hohen Ansprüche Gotteslästerung waren? Oder gibt es vielleicht gar keine Antwort, wird das ein ungelöstes Rätsel bleiben?

Jesus hat nachweislich am Kreuz, das ist doppelt bezeugt, einen Vers aus Psalm 22 gebetet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus hatte als in den Schriften des Alten Testaments beheimateter Jude mit Sicherheit den ganzen Psalm 22 vor Augen und im Herzen. Dort heisst es weiter:

„Warum hilfst du nicht, wenn ich schreie, warum bist du so fern? Mein Gott, Tag und Nacht rufe ich um Hilfe, doch du antwortest nicht und schenkst mir keine Ruhe. Du bist doch der heilige Gott, dem Israel Danklieder singt! Doch ich bin kaum noch ein Mensch, ich bin ein Wurm, von allen verhöhnt und verachtet. Wer mich sieht, macht sich über mich lustig, verzieht den Mund und schüttelt den Kopf: »Übergib deine Sache dem Herrn, der kann dir ja helfen! Er lässt dich bestimmt nicht im Stich! Du bist doch sein Liebling!« Viele Feinde umzingeln mich, kreisen mich ein wie wilde Stiere. Sie reissen ihre Mäuler auf, brüllen mich an wie hungrige Löwen. Ich zerfliesse wie ausgeschüttetes Wasser, meine Knochen fallen auseinander. Mein Herz zerschmilzt in mir wie Wachs. Meine Kehle ist ausgedörrt, die Zunge klebt mir am Gaumen, ich sehe mich schon im Grab liegen – und du lässt das alles zu! Eine Verbrecherbande hat mich umstellt; Hunde sind sie, die mir keinen Ausweg lassen. Sie zerfetzen mir Hände und Füsse. Alle meine Rippen kann ich zählen; und sie stehen dabei und gaffen mich an. Schon losen sie um meine Kleider und verteilen sie unter sich. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

4. Warum musste er so sterben?

4.1. Zwei Antworten aus der Bibel

„...Denn der Herr hat herniedergeblickt von der Höhe seines Heiligtums, er hat herabgeschaut vom Himmel auf die Erde, um zu hören das Seufzen des Gefangenen, um zu lösen die Kinder des Todes.“ (Psalm 102,20-21)

Gott schaut voller Teilnahme herunter auf die Erde, um die Kinder des Todes zu lösen. Das ist noch nicht die ganze Antwort, aber hier wird die Antwort vorbereitet.

Eine andere Antwort lesen wir in den Aufzeichnungen eines Propheten, der mehr als 700 Jahre vor Jesus gelebt und erstaunlich scharf vorausgesehen hat. Seine Schriften wurden sorgfältig gesammelt und verbreitet und so ist das Buch Jesaja entstanden, das wir heute in unseren Bibeln vorfinden.

„Alle verachteten und mieden ihn; denn er war von Schmerzen und Krankheit gezeichnet. Voller Abscheu wandten wir uns von ihm ab. Wir rechneten nicht mehr mit ihm.
In Wahrheit aber hat er die Krankheiten auf sich genommen, die für uns bestimmt waren, und die Schmerzen erlitten, die wir verdient hatten. Wir meinten, Gott habe ihn gestraft und geschlagen; doch wegen unserer Schuld wurde er gequält und wegen unseres Ungehorsams geschlagen. Die Strafe für unsere Schuld traf ihn und wir sind gerettet. Er wurde verwundet und wir sind heil geworden. Wir alle waren wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg. Ihm aber hat der Herr unsere ganze Schuld aufgeladen.“ (Jesaja 53,3-6)

Wie können wir diese merkwürdigen Verse verstehen? Was ist das für eine Antwort? Um sie zu erklären, erzähle ich eine Geschichte, die sich anfangs des letzten Jahrhunderts zugetragen hat

4.2. Geschichte von Nobuo Nagano

An einem 2. März, im Jahre 1907 oder 8 wurde in einer kleinen christlichen Kirche in der Nähe des Shiokari-Passes, inmitten der japanischen Insel Hokkaido im Norden Japans, ein bemerkenswerter junger Christ bestattet, erst gegen 30 Jahre alt. Er hiess Nobuo Nagano. Er war einer der sehr wenigen Christen in jener Region gewesen, von vielen missverstanden und verachtet, von vielen aber auch hochgeschätzt wegen seiner herausragenden charakterlichen Stärken.

Was war geschehen? Wir schauen zurück auf die letzte Stunde seines Lebens: Mihori blickte wieder spöttisch zu Nobuo hinüber. Die Eisblumen an den Fenstern waren inzwischen weggetaut, obwohl der Wagen nur von einem einzigen kleinen Kanonen­ofen erwärmt wurde. Unter den Fahrgästen war eine angereg­te Unterhaltung im Gange. …Bald würde der Zug die höchste Stelle des Shiokaripasses erreicht haben. Dieser lange Steilpass lag etwa dreissig Kilome­ter vor Asahikawa, genau zwischen den beiden ehemaligen Fürstentümern Teshio und Ishikari. In vielen steilen Kurven wand sich der Schienenweg durch den dichten Bergwald. Ge­wöhnlich wurde am Fusse des Berges auch hinten an den Zug noch eine Lokomotive angehängt, und beide Maschinen hat­ten keuchend gegen die Steile des Berges anzukämpfen.

„Ja”, antwortete Nobuo, „wir müssen schon bald den Gipfel erreicht haben.” „Komisch, hinten ist gar keine Lok”, stellte Roku nach hinten blickend fest. „Hm, vielleicht hielt man es nicht für nötig, weil der Zug so wenige Wagen hat. Aber das ist wirklich aussergewöhnlich”, stimmte Nobuo zu. Der Zug fuhr inzwischen so langsam, dass man meinte, er werde jeden Augenblick stehen bleiben. Der Berg war jetzt so steil, dass man auf der Bank sitzend den Eindruck hatte, mitsamt dem Wagen in die Luft gestossen zu werden. „Wie oft ich auch über diesen Pass fahre, immer wieder bin ich beeindruckt von dem gewaltigen Anstieg. Ja, es ist wirklich ein selten steiler Pass.”…

In diesem Mo­ment schien der Zug mit einem leichten Ruck stehenzublei­ben, doch schon im nächsten Augenblick begann er merk­würdigerweise hilflos rückwärts zu rollen. Das Vibrieren der Lokomotive hörte plötzlich auf, und der rückwärts fahrende Wagen nahm an Geschwindigkeit zu. Die bis dahin nach hin­ten vorbeiziehende Landschaft bewegte sich nun in der umge­kehrten Richtung.

Eine unheimliche Stille herrschte im Inneren des Wagens, aber nur für wenige Sekunden. „Hiiilfe, der Wagen hat sich losgerissen!” Einer hatte es ge­schrieen, und sofort breitete sich Entsetzen aus. Im Geist sah man sich schon zerschmettert auf dem Grund des Tales liegen. Alle sprangen auf, umklammerten die Banklehnen und starr­ten stumm vor Entsetzen mit verzerrten Gesichtern dem Ab­grund entgegen. „Namumaida, namumaida”, Roku hatte die Augen ge­schlossen und leierte eine buddhistische Gebetsformel herun­ter.

Nobuo erkannte die Tragik der Situation und begann sofort zu beten. Was immer auch passiert war, die Fahrgäste mussten irgendwie gerettet werden. Mit angehaltenem Atem betete er um Klarheit, was zu tun sei. Da erinnerte er sich plötzlich, dass auf der Plattform hinten am Wagen eine Handbremse sein müsse. Er sprang auf und rief: „Bitte, beruhigen Sie sich, der Wagen wird gleich anhal­ten!” Nobuos gewaltige Predigerstimme schallte durch den Wagen. „Mihori, kümmere du dich um die Fahrgäste!” Schon war Nobuo durch die Türe nach draussen verschwunden.

Mit fiebriger Hast ergriff er mit blossen Händen das eiskal­te Rad der Notbremse und begann, es aus Leibeskräften zu drehen. In jener Zeit war an jedem Eisenbahnwagen solch eine Bremse angebracht. Wie ein Lenkrad ragte es vertikal aus der hinteren Plattform. Nobuo achtete nicht auf die an beiden Seiten vorbeirasenden Bäume und Felsen, sondern war nur darauf bedacht, den Wagen so schnell wie möglich zum Halten zu bringen. Der Wagen verminderte zusehends seine Geschwindigkeit, doch Nobuo drehte weiter.

Die Fahrt wurde noch langsamer. Nobuo atmete auf — wenige Augenblicke und der Wagen würde zum Stillstand kommen. Doch merkwürdig, mehr Bremswirkung war nicht mehr zu erreichen. Nobuo merkte, wie Panik in ihm aufstieg. Er war kein Tech­niker und kannte sich nicht aus in der Zusammensetzung von Bremsen. Hatte er sie verkehrt bedient? War die Bremse de­fekt? Nobuo wusste es nicht. Aber auf irgend eine Weise musste der Wagen zum Stillstand gebracht werden. Die entsetzten Gesichter der Frauen und Kinder tauchten wieder vor ihm auf. Ohne Zweifel, wenn jetzt nichts geschah, würden sich die Bremsen wieder lockern und der Wagen würde erneut den Ab­hang hinunterrasen.

Er sah auf und merkte, dass der Wagen auf eine steile Kurve zurollte, die kaum noch fünfzig Meter ent­fernt war. Wieder begann er wie wild an der Bremse zu dre­hen, aber ohne Erfolg. Immer näher kam die Kurve auf Nobuo zu. Käme der Wagen ins Rasen, würde er sich bald überschlagen. Und noch einige solch steiler Kurven gab es da unten. Nobuo überlegte: bei der jetzigen Geschwindigkeit könnte sein Körper den Wagen aufhalten… Er schloss die Augen, nahm die Hände vom Bremsrad und liess seinen Körper vor die rollenden Räder fal­len. Mit einem unheimlich knirschenden Geräusch fuhr der Wagen auf Nobuos Körper und kam schliesslich zum völligen Stillstand.

Was Nobuo Nagano getan hat, hilft uns, zu verstehen, was Jesus am Kreuz getan hat und warum. Erinnern wir uns: „...Denn der Herr hat herniedergeblickt von der Höhe seines Heiligtums, er hat herabgeschaut vom Himmel auf die Erde, um zu hören das Seufzen des Gefangenen, um zu lösen die Kinder des Todes“ (Palms 102,20-21)

Gott sah, was mit uns los war. Mehr noch, schon lange wusste er, was mit uns los sein würde. Er sah voraus, dass sich der Zug der Menschheit von ihm lösen und in den Abgrund rollen würde. Und er hörte das Seufzen der Gefangenen und er entschied sich, etwas zu unternehmen, um die Kinder des Todes zu lösen: „Wir meinten, Gott habe ihn gestraft und geschlagen; doch wegen unserer Schuld wurde er gequält und wegen unseres Ungehorsams geschlagen. Die Strafe für unsere Schuld traf ihn und wir sind gerettet. Er wurde verwundet und wir sind heil geworden. Wir alle waren wie Schafe, die sich verlaufen haben; jeder ging seinen eigenen Weg. Ihm aber hat der Herr unsere ganze Schuld aufgeladen.“ (Jesaja 53,3-6)

4.3. Die Situation des Menschen

Die Menschheit hat sich von Gott gelöst. Sie wollte ihn nicht mehr. Sie will ihn als Glücksbringer, als Nothelfer, als Sicherheitsgarant, aber nicht als Herrn, nicht als Gott, nicht als Schöpfer und schon gar nicht als Richter. Nein, Selbstbestimmung ist die Devise, Unabhängigkeit, schreckliche Unabhängigkeit. Selber fahren aus eigener Kraft, wir schaffen das schon!

Dieser Virus wohnt in jedem Menschen, egal, wie weit die Krankheit ausgebrochen ist. Dieser Virus, unheimlich ansteckend und heimtückisch, wird „Schuld“ genannt oder „Sünde“. Es ist eine unheimliche, globale Macht, die alle Kulturen und Nationen massgeblich prägt.

Und so befinden wir uns in diesem Zug, er rollt von Gott weg, wir fahren nicht nach oben, sondern nach unten. Immer weiter von Gott weg. Das Ende ist der Tod, nicht nur der körperliche Tod, sondern auch der Tod als endgültige Trennung von Gott. Denn dieser Zug fährt nach Nirgendwo. Jesus hat hier erschütternde Begriffe geprägt, er spricht von der „äussersten Finsternis“ und von der „Verlorenheit“. Der Zug geht irgendwo in der äussersten Finsternis verloren und wird nicht mehr gefunden.

Weg von Gott und damit von seiner Schöpferkraft, seiner Zuwendung, seinem Angesicht, seinem Leben, seiner Liebe, seiner Herrlichkeit, seiner Wirklichkeit. Vielleicht fährt der Zug bei Ihnen noch recht langsam, Sie merken gar nicht, dass es abwärts geht. Es kann dann aber plötzlich sehr schnell gehen, vielleicht schon hinter der nächsten Kurve. Vielleicht befinden Sie sich in einem Luxusabteil. Erste Klasse, Orientexpress. Es geht Ihnen so richtig gut, nette Bedienung, nette Mitreisende – aber: Der Zug fährt in die falsche Richtung! Vielleicht fahren Sie in der letzten Klasse. Kein Dach, es zieht, die Bänke sind hart, vielleicht haben Sie nicht einmal einen Platz. Sie schimpfen und fluchen und machen Gott verantwortlich oder die Menschen für ihre Misere. Aber das Problem ist nicht der Wagen, in dem Sie fahren. Das Problem ist die Richtung.

Sie schauen aus dem Fenster, die Landschaft ist wunderschön oder weniger schön. Sie haben in diesem Zug einen guten Job oder einen schlechten. Problem: Sie fahren in die falsche Richtung, Sie fahren in die Finsternis. Das Problem ist unsere Schuld. Unser Losgelöstsein von unserem Schöpfer. Wir verleugnen ihn, was das Zeug hält. Wir ersetzen ihn durch andere Götter. Und wenn wir formell, kirchlich, religiös an ihn glauben, so ein bisschen, kann ja nicht schaden, hängen wir nicht an ihm, lieben wir ihn nicht. So sind wir dennoch allein unterwegs, ohne ihn. Es gibt keine Lokomotive, an der wir hängen, wir sind allein und das Wissen, dass es da irgendwo eine Lokomotive gibt, nützt uns gar nichts!

4.4. Was sollen wir nur tun?

Nichts. Es gibt nichts zu tun. Wir sind verloren. Jemand anders muss etwas tun, nämlich Gott selbst. Und er hat es getan! Gott hat sich durch Jesus Christus, in Ihm, vor den Zug geworfen und ihn zum Stillstand gebracht!

Einer der späteren Anhänger von Jesus, der berühmte Paulus, der nach einer dramatischen Begegnung mit Jesus erkannte, dass er im falschen Zug sitzt, formulierte es so: Gott war in Christus. Richtig begreifen können wir das nicht, nur erahnen: Gott war in Christus. Zuerst hat sich die Schuld, diese furchtbare Macht, zwischen uns und Gott geschoben und uns von ihm gelöst. Und Gott hat losgelassen, uns nicht gegen unseren Willen festgehalten, uns unserer Selbstbestimmung ausgeliefert. In der Bibel wird das Zorn Gottes genannt. So wie die Schuld eine reale Macht in unserem Leben ist, ist auch der Zorn Gottes eine schreckliche Realität.

Aber der Zorn ist nicht das letzte Wort Gottes, das er zu sagen hat. Sein Zorn sagt: Sei frei, sei los von mir. Du willst mich loslassen – nun lasse ich dich los. Aber seine Liebe ist grösser als sein Zorn. Seine Liebe sagt: Komm zurück, ich warte auf dich. Du hast dich losgerissen, du fährst in den Abgrund, aber dein Wagen kann aufgehalten werden und du kannst umsteigen. Vertraue auf meinen Sohn Jesus.

Jesus selbst sagt es so: „Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun werden alle, die sich auf den Sohn Gottes verlassen, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben. Gott sandte den Sohn nicht in die Welt, um die Menschen zu verurteilen, sondern um sie zu retten.“ (Johannes 3,16-17)

Die Sünde hat die Menschheit von Gott gelöst. Nun sind die Menschen in dieser Bewegung weg von Gott. Haben ihm den Rücken zugewandt, selbst wenn sie gelegentlich um Hilfe rufen. Aber Jesus hat sich vor den Zug geworfen. Gesandt durch den Vater, nicht gezwungen. In liebender Absprache mit Gott. Auch wenn die Dunkelheit und die Qualen am Kreuz dann so entsetzlich wurden, dass Jesus das, was er vorher verstanden hatte, nicht mehr verstand. An unserer Stelle durchlitt er die äusserste Gottesferne. Die heiligste, geheimnisvollste, kostspieligste und schönste Teamarbeit, die jemals stattgefunden hat.

Deshalb: Dort wo Jesus ist, wird der Zug aufgehalten. Er alleine kann ihn bremsen. Der gekreuzigte Christus ist der Ort, wo die Macht der Sünde aufgehalten wird, an ihm wird sie zuschanden und kommt zum Stillstand. Jesus wird an unserer Stelle getroffen. Aber es geht weiter: Der gekreuzigte Christus hebt die Sünde auf. Der auferstandene Christus ist die Lokomotive geworden, die uns wieder hochbringt, bis wir glücklich bei dem gelandet sind, der uns liebt und geschaffen hat, um dann aber für immer bei ihm zu bleiben. Wenn wir dieser Botschaft Glauben schenken, wenn wir Gott vertrauen, dass sein Sohn Jesus unsere Schuld durch seinen Tod aufgehoben hat und den Wagen unseres Lebens an ihn hängen und an ihm dranbleiben, sind wir gerettet.

Glauben an Jesus, wie die Botschaft der Bibel Glauben versteht, bedeutet: Sein Leben an Jesus zu hängen. Dann bin ich nicht mehr verloren, dann fahre ich nicht mehr in die falsche Richtung, sondern es geht beständig aufwärts – und zwar egal, in welchem Zustand sich mein Wagen zur Zeit noch befindet. Das Wichtigste, das Entscheidendste ist die Fahrtrichtung. Wohin fahren Sie? Wissen Sie es nicht? Das ist zuwenig! Es muss klar sein, in welche Richtung wir fahren! Zuviel steht auf dem Spiel!

Deshalb bitte ich Sie, in dieser Osterzeit umzusteigen, die Richtung zu wechseln. Das ist möglich, weil Jesus Christus unsichtbar unter uns gegenwärtig ist. Er ist da! Es ist möglich, weil das alte Wort immer noch gilt: „...Denn der Herr hat herniedergeblickt von der Höhe seines Heiligtums, er hat herabgeschaut vom Himmel auf die Erde, um zu hören das Seufzen des Gefangenen, um zu lösen die Kinder des Todes.“

Sie können sich irgendwo in einer stillen Ecke niederknien und Gott ihre Verlorenheit bekennen. Sie können Ihm sagen: „Gott, es tut mir leid, dass ich dich bisher in meinem Leben verleugnet habe, abgelehnt, missbraucht, benutzt habe. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen. Ich bin unterwegs in die Finsternis. Aber nun kehre ich um zu dir. Ich setze mein Vertrauen auf das, was du durch Jesus getan hast, ich will glauben, dass du meine Schuld auf Jesus gelegt hast. Und ich will mich an ihn hängen, mit ihm leben für den Rest meines Lebens.“

Wenn Sie in dieser Weise ehrlichen Herzens beten, ich verspreche Ihnen: Sie werden gerettet! Heute wechselt die Richtung Ihres Lebens. Sie dürfen sich freuen auf die Ankunft im allerschönsten Bahnhof, am allerschönsten Ziel, was man sich nur erträumen kann.

Deshalb musste also Jesus sterben – damit Sie und ich umsteigen können. Damit wir dort ankommen, wo wir im tiefsten Herzen eigentlich ankommen wollten, aber gehindert wurden durch die brutale Macht der Sünde.

5. Gab es denn keinen anderen Weg?

Zum Schluss möchte ich noch auf eine Frage eingehen: Gab es denn keinen anderen Weg? Hätten Jesus und sein Vater sich nicht eine etwas weniger kostspielige Rettungsaktion ausdenken können? War das denn wirklich nötig? Hat Gott das nötig? Diese Frage ist einerseits verständlich, andererseits unverschämt, ja, vermessen.

Jemand ist mit dem Flugzeug abgestürzt in einer unzugänglichen Bergregion. Das Wetter ist stürmisch und es soll auch so bleiben. Der Mann ist dem Verhungern und Erfrieren nahe. Nach einer Woche kommen drei Männer auf ihn zu. Sie sind erschöpft. Tagelang haben sie sich zu ihm durchgearbeitet. Ein Mann haben sie verloren, er ist in eine Gletscherspalte gefallen – tot. Sie haben Kleidung, Medikamente und Nahrungsmittel bei sich und eine Trage. Er humpelt auf sie zu und sagt verächtlich: Was seid ihr doch für Idioten! Wieso seid ihr nicht mit dem Helikopter gekommen!“

Ähnlich reagieren viele, wenn sie hören, dass der Tod von Jesus Christus ein Sühnetod sein soll, also eine Sühnung für die Schuld der Menschen. Also, wie kann man so etwas glauben, also das kann man dem Menschen von heute doch nicht zumuten, ein Gott der seinen Sohn abschlachtet, um sich an ihm zu rächen statt an uns, ein Gott, der Blutopfer verlangt, ih, wie grässlich.

Paulus, der die Christen zunächst bis aufs Blut verfolgt hat, hat das Wort geprägt, ich übersetze frei: „Das Wort vom Kreuz ist eine Verrücktheit für die, die verloren gehen, für uns aber, die wir gerettet werden, eine Kraft Gottes zum Heil.“ Das Wort vom Kreuz ist nicht nur eine Verrücktheit für den modernen Menschen von heute. Es war immer eine Verrücktheit. Es ist immer auf erbitterten Widerstand gestossen.

Ich kann nur sagen: Gott hat sich so entschieden. Zusammen mit seinem Sohn. Er wollte es so. Daraus schliesse ich, dass es der beste Weg ist, die beste aller möglichen Rettungsaktionen. Und will das so annehmen. Und hoffen, dass sich mir noch viele anschliessen.

Wir vergessen, wo wir uns befinden. Auf dem Weg zur endgültigen Verlorenheit. Es steht uns nicht an, über die Pläne Gottes zu diskutieren. Wir sind verloren! Weil Jesus sterben musste und sterben wollte, um uns zu retten, bitte ich Sie: Lassen Sie sich retten. Hier und jetzt!

Das Ostern-Magazin von Jesus.ch: www.jesus.ch/ostern

Datum: 08.04.2007
Autor: Jens Kaldewey

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung