Frauen in der Bibel

Ist die Bibel sexistisch?

Die grosse Mehrheit der biblischen Geschichten handelt von Männern – Frauen kommen weder im Alten noch im Neuen Testament allzu oft vor. Doch werden sie wirklich untergraben und als weniger erachtet? Gedanken dazu von der Theologin und Autorin Amy Orr-Ewing.
Maria Magdalena in «Frauen der Bibel»
Amy Orr-Ewing ist Theologin und Autorin.

Viele Menschen glauben, dass die Bibel eine Art patriarchische Konspiration ist, die genutzt wird, um Frauen zu unterdrücken. Als Sprecherin auf Konferenzen werde ich oft gefragt: «Wie kannst du als Frau für so ein sexistisches Buch Werbung machen? Die Kirche hat doch versucht, Frauen zu unterdrücken…» Aber als Christ glaube ich, dass wir auf die Themen achten müssen, die hinter so einer emotionalen Frage stehen. Es scheint wirklich so, dass Frauen durch Religion diskriminiert wurden, aber die Bibel selbst verdient es, genauer betrachtet zu werden. Wie kommt es, dass viele der grossen jüdischen und christlichen Pioniere Frauen waren? Was sagt die Bibel wirklich zu dem Thema?

Botschaft der Bibel selbst ist nicht sexistisch

In der gesamten Bibel finden sich immer wieder positive Abbildungen von Frauen und Geschichten, in denen Frauen involviert sind. Im Alten Testament bei der Schöpfung wird die Frau im Ebenbild Gottes geschaffen. Zum Ende der Zeit, wenn Jesus zum zweiten Mal auf diese Erde kommt, wird die Kirche als Braut Jesu dargestellt. Und dazwischen, von Beginn bis zum Ende, bezieht die Bibel das Weibliche als wesentlichen Bestandteil der jüdisch-christlichen Tradition mit ein. Die Bibel wurde über einen langen Zeitraum hinweg und für spezifische Kulturen geschrieben, und einige dieser Kulturen haben Frauen keine sozialen Vorteile gegeben, aber es stimmt nicht, dass die Botschaft der Bibel sexistisch oder diskriminierend gegenüber Frauen ist.

Im Neuen Testament gibt es einige bedeutungsvolle Begebenheiten, bei denen Frauen involviert sind, insbesondere wenn man beachtet, wie konservativ damals die kulturelle Haltung gegenüber Frauen war. Dieser Kontext wird etwa im Johannesevangelium in dem berühmten Treffen zwischen Jesus und der Samaritanerin am Brunnen beschrieben. Ein kleiner Satz in Johannes, Kapitel 4, Vers 27 wirft ein wenig Licht darauf, wie radikal die Bibel Frauen bestätigt. Die Jünger kehrten zu Jesus zurück, während er mit der Samaritanerin im Gespräch war, und die Bibel erzählt uns, sie «waren erstaunt, Jesus im Gespräch mit einer Frau anzutreffen». In diesem Umfeld machte Jesus seinen Dienst und dennoch ging er immer wieder gegen solche kulturellen Trends an.

Jüngerinnen von Jesus

Das machte er zunächst, indem er weibliche Jünger hatte. In einer Kultur, in der ernsthaft hinterfragt wurde, ob Frauen mit einer Gruppe von Männern herumreisen oder gar den Status «Jüngerin» haben dürften, hatte Jesus einige Frauen, die zu seiner Reisegruppe gehörten und auch finanziell die Bedürfnisse der Gruppe unterstützten. Als man einmal Jesus sagte, dass seine Mutter und Brüder draussen seien, um ihn zu sehen, zeigte er sogar auf seine Jünger und erklärte: «Hier sind meine Mutter und meine Brüder.» (Markusevangelium, Kapitel 3, Verse 31-35) Diese Aussage macht keinen Sinn, wenn es unter seinen Jüngern keine Frauen gab – in der Kultur des Nahen Ostens im ersten Jahrhundert wäre es ja total beleidigend gewesen, auf männliche Jünger zu zeigen und sie mit einem weiblichen Ausdruck zu beschreiben. In der Gruppe von Jüngern, auf die er zeigte, müssen demnach einige Frauen gewesen sein.

Jesus lehrte auch Frauen

Wir sehen also, wie Jesus im Neuen Testament Frauen lehrt. In Lukas, Kapitel 10, Vers 38 lesen wir von Maria, die an den Füssen von Jesus sitzt und an seinem theologischen Unterricht teilnimmt, sehr zum Ärger ihrer Schwester. Der Satz «zu Füssen von jemandem sitzen» wird auch in Apostelgeschichte, Kapitel 22, Vers 3 genutzt, wo Paulus seinen Unterricht beim Gelehrten Gamaliel beschreibt. So wird Maria hier als würdig bezeichnet, von einem Rabbi, nämlich Jesus, zu lernen. Interessanterweise lesen wir etwas später im Johannesevangelium von Martha, Marias Schwester, die als erste eine der erstaunlichsten theologischen Aussagen des Neuen Testaments zu hören bekommt. Jesus sagte zu ihr: «Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.» (Johannesevangelium, Kapitel 11, Vers 25)

Im Kontrast zu den kulturellen Regeln der Zeit, machte es sich Jesus zur Angewohnheit, Frauen grosse theologische Wahrheiten zu offenbaren. Die erste Person, die im Johannesevangelium Jesus‘ wahre Identität erkennt, ist ebenfalls die Samaritanerin am Brunnen. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie radikal das ist: Jesus stellte kulturelle Tabus auf den Kopf, indem er Frauen Theologie lehrte und ihnen erlaubte, seine Jüngerinnen zu sein.

Bewusst bestätigt und miteinbezogen

Es wird deutlich, dass Frauen eine vollständige, dynamische Rolle in Jesus' Dienst spielten. Für das 21. Jahrhundert ist dies nur normal und vollkommen korrekt, aber wir müssen daran denken, wie radikal das im Palästina des ersten Jahrhunderts war. Jesus bestätigte Frauen ganz bewusst und zog sie mit ein. Wir können beobachten, wie dieser Trend in der ersten christlichen Gemeinde weiterging, von Lydia (Apostelgeschichte, Kapitel 14) und Tabita (Apostelgeschichte, Kapitel 9) bis hin zu den Töchtern von Philippus (Apostelgeschichte, Kapitel 21), wo Frauen diverse Rollen einnahmen. Es stimmt, es gibt zwei Texte in den Briefen von Paulus, die scheinbar gegen all dies gehen, weil er einige Frauen anweist, still zu sein, und anderen die Lehre verbietet. Doch dies muss im Zusammenhang vom Rest der Bibel gelesen und interpretiert werden. Paulus selbst gibt Richtlinien für Frauen, wenn diese öffentlich prophezeien, und er erwähnt Frauen, die selbst lehrten, wie etwa Priscilla (Apostelgeschichte, Kapitel 18).

Wenn wir die Bibel unter dem Thema des Sexismus betrachten, muss uns klar sein: Gott wird zwar hauptsächlich mit männlichen Attributen beschrieben und wird im Mann Jesus Mensch, aber das bedeutet nicht, dass Frauen untergraben oder nicht wertgeschätzt werden. Gott wird manchmal auch mit weiblicher Methaphorik beschrieben und Jesus bestätigt ständig den Wert von Frauen, lehrt sie und kommuniziert mit ihnen als gleichwertige Menschen. Sowohl Männer als auch Frauen sind im Ebenbild Gottes erschaffen und beide sind Gott so wichtig, dass Jesus auf diese Erde kommt, um beide durch sein Blut am Kreuz zu erlösen.

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Datum: 21.06.2018
Autor: Rebekka Schmidt / Amy Orr-Ewing
Quelle: Jesus.ch / rzim.org

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