Faszination Jesus

Jesus im Abseits

Jesus fasziniert die Leute, doch läuft er oft ins Abseits. Wiederholt missachtet er die Regeln und provoziert seine Umgebung. Wozu?
Wo Jesus war, fühlten sich Leute provoziert.

Wer den Mann aus Nazareth kennenlernt, staunt über sein einzigartiges Gottvertrauen. Jesus spricht von Gott ganz selbstverständlich als seinem Vater. Und man nimmt es ihm ab. Stundenlang betet er zum Vater im Himmel, oft frühmorgens; aus der Verbindung mit ihm schöpft er solche Kraft (1), dass er Wunder tun kann – Hunderte!

Die Leute in Galiläa lieben ihn. Er spricht ihre Sprache. Doch hören sie alles, was er sagt? Oder hören sie nur, was sie hören wollen? Jesus sagt auch ganz unbequeme Dinge, die der Mentalität des Volks zuwiderlaufen. «Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen werdet!» sagt er einmal (2). Wie soll man sich nicht sorgen, wenn man nicht weiss, wie viel die nächste Ernte einbringt – oder ob nächste Woche noch Arbeit vorhanden ist?

Leben statt horten

«Sammelt euch nicht Schätze auf Erden. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!» (3) Unter seinen Bewunderern ist auch der Erbe eines grossen Vermögens. Ihm rät Jesus, den Besitz zu verkaufen, den Erlös den Armen zu geben und sich dem Kreis anzuschliessen, der mit ihm umherzieht. Das kommt bei dem Mann nicht an; er geht traurig davon. Soviel «Jesus» ist ihm zuviel (4).

Ärgerlicher Anspruch

Mit den Pharisäern, den pingeligen Moral-Schiedsrichtern, hat Jesus das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Er kritisiert nicht nur Einzelregeln, die sie im Volk durchsetzen, sondern hat es offenbar darauf abgesehen, das ganze Gebäude ihrer Frömmigkeit (Erfüllung aller Gebote bis ins Detail) aus den Angeln zu heben. Dass er, der Heiler mit scheinbar unbegrenzter Vollmacht, das Volk wie ein Magnet anzieht, passt den Pharisäern nicht. Doch der Gipfel der Frechheit ist, dass er einem Gelähmten, bevor er ihn heilt, die Sünden vergibt (5)! Gott darf das, sonst niemand!

Ärgerlich auch, dass er sich nicht abgrenzt von Zolleinnehmern, die neben dem, was sie den Hohen Herrn abliefern müssen, selbst viel einsacken. Jesus lässt sich mit seinen Anhängern gar von solchen korrupten Leuten zum Essen einladen. Einen von ihnen beruft er in den Kreis seiner vertrauten Freunde. Das geht doch nicht, damit untergräbt er die Front gegen die römische Besatzungsmacht (6).

Peinlich!

Vollends daneben liegt Jesus, wenn er mit Frauen, die für ihren lockeren Lebensstil bekannt sind, Kontakt hat. Ein solches Weib stört ausgerechnet das Essen, das ein Pharisäer für ihn gibt. Simon will Jesus nicht vorverurteilen, sondern ihn selbst kennen lernen. Da tritt die Frau zu ihm. Sie weint heftig, so dass seine Füsse von ihren Tränen nass werden. Ist Jesus nicht angewidert von diesem Verhalten? Weiss er, der den Leuten ins Herz sieht, nicht, was die Frau treibt? Er zieht die Füsse nicht zurück – nun küsst sie sie sogar! Die Frau trocknet sie mit ihren Haaren und massiert sie mit Balsam, den sie mitgebracht hat.

Grössere Liebe

Simon hat mit Jesus Fragen des Gesetzes debattieren wollen – und nun diese Peinlichkeit! Der Geruch des Balsams erfüllt das Zimmer. Er versucht seine Entrüstung zu verbergen. Jesus ist offenbar nicht einmal verlegen. Er erzählt Simon eine kurze Geschichte von zwei Schuldnern. Der Geldverleiher erlässt dem einen eine kleine, dem andern eine grosse Summe. Ja, meint Simon, dieser wird ihm wohl besonders dankbar sein.

Jesus überträgt dies auf die Frau: Sie hat dies getan, weil sie weiss, dass er sie trotz ihrer grossen Schuld nicht verurteilt. «Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.» Will er ihr die Schuld erlassen?? Ja, tatsächlich, er wendet sich ihr zu und sagt: «Dir sind die Sünden vergeben.» Simons Freunde, die mit eingeladen sind, tuscheln; die Empörung über diese Worte ist ihren Gesichtern abzulesen (7).

Wiederherstellung statt Urteil

Warum nur lässt Jesus verruchte Frauen und schräge Typen an sich heran, wenn er doch beansprucht, das Gesetz des Mose gültig auszulegen? Warum weist er, wenn er ein Lehrer der heiligen Gebote sein will, solche Leute nicht weg? Mehrmals gibt er sein Motiv zu erkennen: Gottes Gebote gelten – aber wer sie einsetzt, um andere abzuqualifizieren und zu verurteilen, liegt falsch.

Jesus will Menschen wiederherstellen, sie innerlich und äusserlich heil machen, damit sie Gottes Geboten entsprechend leben können. Ob sie nun unmoralisch gehandelt und sich in Verruf gebracht haben oder durch eine Krankheit oder eine Behinderung gebunden waren: er löst diese Bindungen, wenn sie zu ihm kommen. «Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken», sagt Jesus den Pharisäern nach dem Mahl mit den Zolleinnehmern. Die Frommen sollten erst einmal begreifen, dass Gott barmherzig sei (8). «Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.»

Auf die Spitze getrieben

In weiteren Begegnungen verschärft sich der Konflikt zwischen Jesus und den selbstgerechten Pharisäern. An Mut und Entschlossenheit fehlt es ihm nicht. Als wäre er nicht genug im Offside, bringt er auch in Jerusalem, der Stadt des Tempels, die Mächtigen gegen sich auf. Öffentlich prangert er die Geschäftemacherei im Tempelbezirk an. Er zitiert das Wort eines Propheten: «Mein Haus soll Haus des Gebets heissen – ihr aber macht es zu einer Räuberhöhle!» (9) Und dann heilt er Blinde und Lahme, um zu verdeutlichen: Dies soll im Tempel geschehen.

Die Mächtigen liefern ihn schliesslich dem Chef der römischen Besatzungsmacht als Rebell ans Messer, denn er begibt sich ins absolute Abseits: Im Verhör beansprucht er die Autorität des göttlichen Richters für sich (10). Unschuldig verurteilt und hingerichtet, nimmt er mit seinem Leben die Schuld anderer auf sich – und auch die Krankheiten (11).

Der Vorläufer am Ziel

Die ersten Christen verdrängen die Entehrung und schmachvolle Hinrichtung von Jesus nicht, sondern werten sie positiv als Motivation für ihr Christsein. Denn Gott hat den Gekreuzigten von den Toten auferweckt und zu sich in die Herrlichkeit erhoben. Für die Christen bedeutet dies, dass sie auf den Spuren des Auferstandenen aufs Ganze gehen. Bei der Verbreitung seiner Botschaft sind sie bereit, Schmach auf sich zu nehmen (12).

Paulus schreibt seinem Mitarbeiter Timotheus (13): «Halte dir stets Jesus Christus vor Augen, der … auferweckt worden ist von den Toten – das ist das Evangelium, das ich verkündige und für das ich alle die Mühsal und Plage auf mich nehmen, sogar Gefangenschaft, als wäre ich ein Verbrecher! Aber das Wort Gottes lässt sich nicht gefangen nehmen. Darum ertrage ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie Anteil bekommen am Heil in Christus Jesus und an der ewigen Herrlichkeit. Zuverlässig ist das Wort: Sind wir mitgestorben, so werden wir auch mitleben. Halten wir stand, so werden wir auch mitherrschen.»

Hier erfahren Sie noch mehr über Jesus

(1) Die Bibel, Markus 1,35-45
(2) Matthäus 6,25
(3) Matthäus 6,19-24
(4) Matthäus 19-16-22
(5) Matthäus 9,1-8
(6) Matthäus 9,9-13
(7) Lukas 7,36-50
(8) Matthäus 9,12-13
(9) Matthäus 9,13
(10) Matthäus 26,64
(11) Matthäus 8,17 verdeutlicht mit dem Bezug auf die Prophetenworte in Jesaja 53, dass Jesus Schuld wie auch Krankheiten und Schwächen auf sich nahm, vgl. 1. Petrusbrief 2,24.
(12) Das schliesst ein, hinauszugehen aus der Stadt, Hebräerbrief 13,12-14.
(13) 2. Brief an Timotheus 2,8-12

Datum: 22.05.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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