Destruktive Diskussion?

Wie die Debatte um Ehe für alle konstruktiv geführt werden kann

In diesem Herbst wird voraussichtlich über das Gesetz zur «Ehe für alle» abgestimmt. Es könnte ein heftiger und hasserfüllter Kampf werden. Die Gegner werden gefordert sein, eine gute und sachliche Diskussion zu führen. Sonst wird es kontraproduktiv.
Homosexuelles Ehepaar

Einen hitzigen Abstimmungskampf erwarten jedenfalls die betroffenen Kreise selbst. So schreibt gay.ch nach der Einreichung des Referendums: «Bei entsprechenden Posts in den Sozialen Medien kommt es zu hasserfüllten Kommentaren bei diesem Thema, so dass wir auch gewisse Kommentatoren sperren mussten. Auch per eMail oder gar per Post erreichen die Redaktion teils anonyme Nachrichten, welche meist mit religiösen Zitaten gegen die Ehe für alle argumentieren.»

Die Voraussetzungen der Debatte

Das Ziel der Abstimmungsdebatte muss daher sein, dass die Gegner des Gesetzes nicht als homophobe und ultrakonservative Minderheit diskreditiert werden können. Wer in den Ring steigt, muss ein geklärtes Verhältnis zu den betroffenen Menschen und ein Verständnis dafür haben, dass sie grundsätzlich gleiche Rechte haben wollen. Auch wenn man aufgrund des persönlichen Bibelverständnisses oder Menschenbildes die Ehe für alle ablehnt.

Geltende Werte

Daraus folgt: Die Argumentation von bekennenden Christen, die gegen das Gesetz sind, muss sich an geltenden Werten orientieren und darf nicht auf Bibelstellen zum Thema Homosexualität beruhen. Sie wird sonst vor allem den Freikirchen Schaden zufügen. Evangelische Christen müssen als Jesus-Nachfolger deutlich machen, dass auch LGBT-Menschen von Gott geliebte und in die Nachfolge gerufene Menschen sind. Selbstgerechtigkeit hat hier – wie auch sonst im Leben von glaubwürdigen Christen – keinen Platz.

Autonomie, Selbstbestimmung, ...

Wer in dieser Arena in den Abstimmungskampf eingreifen will, muss anerkennen, dass heute Autonomie und Selbstbestimmung höchste gesellschaftliche Werte sind, auch wenn man dies persönlich anders sieht. Und er muss anerkennen, dass die Gleichberechtigung insbesondere von Minderheiten heute zu den grossen politischen Errungenschaften zählt. Black Lives matter oder die Diskussionen um die Rechte von Indigenen sind nur zwei Beispiele.

Es zählt die Gleichberechtigung

Dass viele homosexuelle Menschen gar nicht heiraten wollen, wie auch die Lobby der Homosexuellen freimütig einräumt, ist von daher gesehen ein schwaches Argument. Es zählt die Gleichberechtigung. Und die hohe Bereitschaft in der Gesellschaft, dieser Minderheit die gleichen Rechte einzuräumen, hat damit zu tun, dass homosexuelle Menschen in der Vergangenheit schwer diskriminiert wurden. Heute besteht ein grosses Bedürfnis, ihnen Recht zu verschaffen. Es macht auch keinen Sinn, mit den problematischen Aspekten der Homosexualität zu argumentieren, denn diese werden generell verneint. Und sie haben in dieser Debatte auch nichts zu suchen.

Ehe relativiert

Fazit: Die Gegner des Gesetzes müssen eine Argumentationslinie entwickeln, die den geltenden Werten Rechnung trägt. Statt gegen Gleichberechtigung zu kämpfen, können sie anmahnen, dass die Politik sich vor überfälligen Reformen im Familienrecht drückt und damit die Ehe selbst der Relativierung preisgibt. Das dokumentierte jüngst das Bundesgerichtsurteil gegen eine geschiedene Frau, indem es einer geschiedenen erwerbslosen Ehefrau den Unterhalt durch ihren Mann verweigerte. «Die Ehe darf kein Monopol mehr sein», kommentierte logisch darauf die NZZ. Ausserdem: Die Diskussion zum Beispiel um eine Ehe light wurde abgeklemmt, obwohl gerade sie an die Stelle der Ehe für alle hätte treten können. Zudem hätte sie auch Konkubinatspaaren, die sich vor der Ehe scheuen, eine rechtliche Basis ermöglicht.

Die Natur der verfassungsmässigen Ehe

Zu Recht in Zweifel gezogen werden kann die Verfassungsmässigkeit der «Ehe für alle». Ein legitimes Argument ist, dass das Gesetz durchgeboxt wurde, insbesondere die Samenspende, obwohl dies eine Verfassungsänderung nötig machen würde. Dabei kann man sich auf das Gutachten der Basler Rechtsprofessorin Häner berufen, über das sich der Ständerat hinweggesetzt hat, als er seine Zustimmung zum Gesetz gab. Dabei ist in der Debatte gut zu belegen, welche Idee ursprünglich hinter der Privilegierung der Ehe steht: Eine Institution, die staatlich zu schützen ist, weil sie Kinder hervorbringt und so die Zukunft der Gesellschaft sicher stellt.

Die Ehe und Familie unterstützen

Die Kritik kann sich auf die Samenspende fokussieren und argumentieren, dass früher oder später die Forderung nach einer Legalisierung der Leihmutterschaft kommen wird. Das Nein-Komitee setzt auch hier grundsätzlich auf die richtigen Argumente. Die Argumentationslinie könnte aber noch erweitert werden, um auch berechtigte Forderungen an die Politik einzubringen. So müsste der Schutz der Ehe erneut verstärkt werden, bevor sie durch Bundesgerichtsentscheide relativiert wird. Sie soll weiterhin der ideale Boden für die Gründung einer Familie sein, und diese soll auch finanziell besser abgestützt werden, insbesondere Grossfamilien und Familien mit besonderen Bedürfnissen, die angesichts der aktuellen Geburtenrate für die Zukunft unserer Gesellschaft wichtig sind.

Das Ideal

Im Idealfall könnte die Debatte zu einem Dialog mit der Gesellschaft führen. Wenn es gelänge, Menschen, die auf dem Zeitgeist schwimmen, zum Nachdenken zu bringen, was Familie heute und in der Zukunft bedeuten kann und muss, wäre viel gewonnen.

Zum Thema:
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Datum: 26.04.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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