Für die Familie

Ein Clown kämpft gegen die Gewalt

Als der 15-jährige Nathanael in El Salvador entführt und umgebracht wurde, dachte sein Vater, Pastor José Domínguez, dass er nie wieder aufstehen könnte. Doch Gott berief ihn zu einer neuen Aufgabe. Und heute kämpft er auf kreative Weise gegen die Gewalt im Land.
Als Clown «Chocoyito» ist Pastor José Dominguez in El Salvador unterwegs
Als Clown «Chocoyito» ist Pastor José Dominguez in El Salvador unterwegs
Pastor José Dominguez in Aktion

Der Name El Salvador bedeutet «Der Erlöser». Doch trotz der scheinbar so christlichen Wurzeln gehört das Zentralamerikanische Land zu den Staaten mit den höchsten Raten gewaltsamer Tötungen. Im Jahresdurchschnitt kommen dort 50,3 Menschen pro 100'000 Einwohner durch Tötungsdelikte ums Leben – die weltweite Rate liegt bei 6,2 pro 100'000. Gründe für die hohe Gewaltbereitschaft gibt es viele, doch Israel Ticas, Strafrechtler und Gerichtsmediziner in El Salvador, sieht den Hauptgrund in der Familie: zerrüttete Beziehungen, Eltern, die ins Ausland emigrieren und ihre Kinder allein zurücklassen, das überprojizierte Männerbild in den Familien. Auch Pastor José Dominguez empfindet dies – und arbeitet deshalb bewusst an den innerfamiliären Beziehungen.

Er sagte jeden Tag «Ich liebe dich»

Das kommt nicht von ungefähr: Im Jahr 2015 wurde Domínguez' Sohn entführt. Zwei Monate lang war der damals 15-jährige Nathanael verschwunden, wurde in der Zeit immer wieder gefoltert, bis er zusammen mit anderen Körpern tot in einer Grube aufgefunden wurde. Doch jeden Tag bis zu dem Tag der Entführung sagte Nathanael seinem Vater, bevor er aus dem Haus ging, wie sehr er ihn liebte. «Ich weiss nicht, wer meinem Sohn beibrachte, mir jeden Tag zu sagen, dass er mich liebt…», erinnert sich Domínguez.

Das Trauma, die Krise, Depression und die Suche nach Antworten waren fast unerträglich. «Ich ging in mein Zimmer und dort hatte ich ein Foto von meinem Sohn Nathanael. Ich umarmte das Foto und wollte, dass mein Sohn mir noch einmal sagt, dass er mich liebt, aber mein Sohn war nicht mehr da. Ich wollte ihm noch einmal sagen, wie sehr ich ihn liebe, aber mein Sohn war nicht mehr da…», erinnert sich Domínguez.

Eine neue Berufung

In dieser Zeit träumte der Pastor, dass er als Clown verkleidet mit einer Bibel unterwegs war. So wurde der Clown «Chocoyito» geboren. «Gott gab mir eine Berufung, in der wir Menschen zum Lachen bringen und sie in ihren tiefsten Gefühlen berühren…» Denn der Clown reist heute im ganzen Land herum, besucht Schulen, Kirchen, Krankenhäuser und Dorfgemeinschaften und spricht insbesondere über die Einheit in der Familie.

Ansprache ins Gewissen

Nach der Hälfte der humorvollen Vorstellung legt er den Clown Chocoyito ab und spricht als José Dominguez direkt zu seinen Zuschauern. «Ich stelle den Jugendlichen die erste Frage: Wann hast du deinem Vater das letzte Mal 'Ich liebe dich' gesagt? Warum hast du so viele Freunde auf Facebook, aber deine eigenen Eltern gehören nicht dazu? (…) Was wäre, wenn du deinen Vater heute zum letzten Mal sehen würdest?» Denn das ist eine Realität in El Salvador: Laut Israel Ticas weiss niemand, wenn er aus dem Haus geht, ob er am Abend wieder zurückkommen wird… Auch die Eltern spricht Domínguez an, fragt, warum sie kaum Zeit mit den Kindern verbringen und so distanziert sind.

«Das macht allein Gott»

Seine Vorstellungen haben Auswirkungen: Viele Jugendliche sind aus den Banden herausgekommen und haben sich ihren Eltern wieder genähert, viele suchen Gott und wollen mit ihm leben – und viele danken Chocoyito für seine Arbeit. Dann sagt der Pastor-Clown jeweils: «Das hat nicht Chocoyito oder José Domínguez gemacht, das macht allein Gott!»

Und dies alles ist aus der grössten Krise seines Lebens gewachsen. «Jedes Mal, wenn eine Veranstaltung beendet ist, schaue ich zum Himmel hoch und sage: 'Mein Sohn, wir haben es geschafft!'»

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Datum: 11.06.2019
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Mundo Cristiano

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