Christen auf der Flucht

Weshalb die geringe Betroffenheit in Europa?

Die Sensibilität für die Situation der christlichen Flüchtlinge müsste endlich auch in den Köpfen der Menschen im Westen ankommen, findet eine CVP-Politikerin. Sie fragt nach den Gründen der mangelnden Betroffenheit...
Flüchtlinge mit dem Nazarener-N auf dem T-shirt.
Postkarte an Bundeskanzlerin

An der Faktenkenntnis mangelt es nicht. Open Doors gibt jedes Jahr die Zahlen bekannt und dazu eine Rangliste der Länder, in denen die Christen am meisten verfolgt werden. Mit Ausnahme von Nordkorea sind die ersten 10 Verfolgungsländer muslimisch dominiert. Viele unter ihnen haben aber Mühe, selbst Solidarität gegenüber ihren Glaubensgenossen zu zeigen. Zu tief ist einerseits die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten. Zu wenig verankert ist auch der Gedanke der Solidarität mit Flüchtenden und Verfolgten in den heutigen muslimischen Kulturen und Ländern, die gerade auf der arabischen Halbinsel zum Teil vor Reichtum strotzen.

Ohne Rücksicht auf die Herkunft und Religion

In Europa ist der Gedanke demgegenüber stark verankert, dass Verfolgte und Flüchtende ein Anrecht auf Hilfe haben, aus welchem religiösen und kulturellen Hintergrund sie immer auch kommen. Die Charta der Menschenrechte und auch der gesellschaftlich verankerte Solidaritätsgedanke dominieren glücklicherweise unsere Gesellschaft weithin, bei allen zum Teil berechtigten Bedenken gegenüber der Integrationsfähigkeit von Flüchtlingen aus fernen Kulturen, aus denen einige politische Parteien Profit schlagen.

Für bedrohte Minderheiten sensibilisiert

Im gut verankerten Solidaritätsgedanken gegenüber allen Verfolgten mag auch der Grund liegen, dass der Ruf, christliche Flüchtlinge, die oft auch auf der Flucht verfolgt werden, weil sie eben Christen sind, auf Widerstand stösst. Selbst Kirchenleute reagieren auf solche Forderungen schon fast allergisch, wie Marianne Binder, CVP-Präsidentin im Aargau, bemerkte. In einem Gastbeitrag für die «Schweiz am Sonntag» vom 18. Dezember stellte sie fest: «Als Mehrheit sind wir Christen darin erzogen, gegenüber Minderheiten im moralischen Rückstand zu sein. Dass auch unsereins verfolgt sein könnte, fällt aus dem Denkmuster der politisch korrekt eingeübten Toleranz, die darin besteht, das Andere mehr zu achten als das Eigene.»

Umgekehrt jedoch hätten es Christen auf der Flucht schwer zu verstehen, weshalb sie «gerade bei denjenigen kaum Beachtung finden, von denen sie natürlicherweise am meisten Beachtung erwarten».

Weil sie Christen sind ...

Selbstredend dürfte eine Bevozugung von christlichen Flüchtlingen bei der Aufnahme nicht dazu führen, dass andere abgewiesen werden, die nachweislich an Leib und Leben bedroht sind. Es muss aber auch deutlicher gesagt sein, dass viele Christen gerade deshalb an Leib und Leben bedroht sind, weil sie eben Christen sind. Viele leben heute in einer relativen Sicherheit, zum Beispiel im Libanon, die aber über Nacht weggefegt werden kann.

Advent der Solidarität in den Köpfen

Marianne Binder schliesst denn ihren Apell mit den Worten: «In Zeiten, In denen so viele Flüchtlinge bei uns ankommen und um Aufnahme ersuchen, sollte meines Erachtens auch im Westen die Sensibilität für christliche Flüchtlinge in den Köpfen ankommen und die Solidarität mit ihnen Advent feiern. Nicht obwohl, sondern weil sie Christen sind.»

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Datum: 22.12.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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