Stolpergedanke

Fehler machen im Stress

Fehler passieren im Stress jedem einmal. Sogar dem Pfarrer, der während der Predigt über die Treppenstufe fällt. Dass der Pfarrer damit ein Gespräch mit einem Arzt auslöst, hätte er nie erwartet.
Prediger Fredy Staub

Bist du in den letzten Tagen einmal in einer Kirche gewesen? Manchmal bin ich überrascht, wie spannend es da ist. Beim Zuschauen und beim Mitreden. Komm doch heute in Gedanken mit mir. Ich habe eine – für dich vielleicht unübliche – aber herrliche Aufgabe gefasst: In einer Kirche zu predigen, in der ich vorher noch nie war. Sag, wie würdest du diese Aufgabe anpacken? Was hättest du den Kirchgängern zu sagen?

Ich hab für heute Einiges auf dem Herzen. Wie immer bin ich vor der Predigt sehr nervös. Ich sitze auf der vordersten Bank und höre zu. Du sicher auch. Nun beendet die Band ihren Song. Ops, jetzt bin ich dran. Ich werfe dir noch einen Blick zu, dann eile ich zur Kanzel. Allerdings habe ich im Eifer eine Schwelle übersehen und - stürze. Ein lautes «Oooooh» geht durch die Besucherreihen.

Vielleicht musst du jetzt auch schmunzeln. Das ist manchmal besser als zu reklamieren. Ich beisse auf die Zähne, erhebe mich wieder, begebe mich hinter die Kanzel und trage mit Schmerzen in Knie und Ellbogen eine feurige Rede vor.

Nach dem Gottesdienst meint ein Besucher: «Ihr Sturz war das Beste – es war so lustig. Und Ihr Umfallen hilft mir, meine eigenen Fehler besser zu verkraften.»

Beim Kirchenausgang bleibt jemand erwartungsvoll stehen. Ich gehe auf ihn zu. Er, ein Arzt, bittet mich um ein Gespräch. Er spricht von einem Sturz in seinem Gewissen. Ach, bis ich endlich verstehe, was er mit «Sturz» meint, vergeht viel Zeit.

«Im Stress habe ich einem Patienten das falsche Medikament verabreicht», erklärt er mir. «Darauf starb er. Bitte, wer vergibt mir meinen Missgriff, der mich nun für immer belastet?»

Jetzt verstehe ich. Das ist keine einfache Frage. Was hättest du ihm geantwortet? Ich schenke ihm sofort ein Komplement für seine Offenheit und seine Bereitschaft, von Gott und Mensch Hilfe anzunehmen.

Häufig braucht es nach solch einem Gewissenssturz gute seelsorgerliche Betreuung. Ich versuche mit diesem Arzt einen Weg zu gehen, auf dem er realisieren kann: «Wer keine Fehler macht, der braucht auch keine Erlösung.»

Wir alle haben Vergebung dringend nötig. Meinst du nicht auch? Vergebung, wie Gott sie schenkt. Der Arzt macht ein tiefgreifendes Aha-Erlebnis mit Gott und beginnt recht bald zu realisieren: «Jesus Christus ertrug auch mein Versagen am Kreuz. Anstelle meines untragbar schweren Steins der anklagenden Schuldgedanken, will er mir bestimmt unverdienterweise seinen frohen Geist schenken. In diesem Geist will ich mich nach meinem Sturz wieder erheben, Gott erleben und fortfahren, viel Gutes zu tun.»

Unglaublich! Ich bewundere ihn für diese neue Haltung. Du nicht auch? Dieser Arzt geht weder oberflächlich über Gott noch über seinen eigenen Fehler hinweg, sondern lässt sich erlösen von allem, was ihn unnötig belastet. Genial gut. Nun frage ich dich: Wer hilft dir auf, wenn du gestürzt bist? Und wie hilfst du anderen Gestürzten wieder auf?


Der Autor Pfarrer Fredy Staub ist Eventpfarrer und lebt in Wädenswil www.FredyStaub.ch

Bücher von Fredy Staub (kleine Auswahl):
Der Überlebenskünstler
Reif für ein Wunder

Datum: 28.08.2011
Autor: Fredy Staub
Quelle: Livenet.ch

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