Teilnahmslosigkeit

„Ich halte meinen Mann nicht mehr aus!”

"Ich halte meinen Mann nicht mehr aus. Er kommt mir vor wie ein Grufti. Wenn die Kinder mit ihm spielen wollen, dann zieht er sich in sein Büro zurück. Wenn ich mit ihm einen gemütlichen Abend verbringen möchte, dann wehrt er ab und setzt sich vor den Fernseher."

Und weiter schreibt Sara Müller* in ihrem Brief: "Gespräche, die länger als 15 Minuten dauern, kann ich in meiner achtjährigen Ehe an den Händen abzählen. Allein das Angeln mit seinen Freunden lockt ihn manchmal ausserplanmässig aus dem Haus. Wenn es um die Familie geht, erwarte ich, dass er sich verändert! Ich halte das sonst nicht aus. Manchmal würde ich mich am liebsten scheiden lassen. Ich glaube, ich käme auch ohne ihn gut zurecht."

Sara Müller ist nicht die einzige Frau, die sich an der Teilnahmslosigkeit ihres Mannes ärgert. Er zieht sich gerne zurück. Berufstätige Männer, aber auch Frauen, tun das im allgemeinen sehr gerne. Sie kommen von der Arbeit heim und geniessen den Abend allein. Es ist angenehm, jemanden zu haben, der daneben den Haushalt schmeisst, für die Kinder sorgt, und die Rechnungen rechtzeitig bezahlt, sei dies nun der Hausmann oder die Hausfrau. Dies mag auf kurze Zeit funktionieren, löst aber beim Partner zwangsläufig Irritation und Frustration aus.

Frustration und Demütigung

Saras Enttäuschung ist verständlich. Sie fühlt sich unverstanden und gedemütigt. Ihr Mann ignoriert sie und ihre Bedürfnisse ganz eindeutig. Nur weiss er nicht, dass Ignoranz eine Waffe ist, die einen Partner schwer verletzt. Denn Gefühle und Ansprüche des Partners sollten jederzeit gehört, diskutiert und so weit wie möglich angenommen werden. Eine Beziehung muss gepflegt werden wie eine Blume.

Doch Saras Ehemann konzentriert sich auf sein eigenes Bedürfnis, allein zu sein. Das sollte ihm von seiner Frau auch ruhig zugesprochen werden. Nur bedeutet das nicht, dass er sich aus allem raushalten und sich der Familie entziehen darf. Saras Mann hat als Familienvater seine Rolle wahrzunehmen und sich seiner Verantwortung zu stellen.

"Seinen Mann stehen"

Der Paar- und Familientherapeut Beat Tanner bestätigt diese Sichtweise: "In meiner Beratung bemerke ich eine Tendenz, dass sich Männer ihrer Rolle als Vater und Ehemann entziehen. Sie verbringen lieber Zeit mit Freunden oder ziehen sich vor den Fernseher zurück. Männer müssen wieder lernen, ihre Rolle als Vater und Ehemann einzunehmen und so klare Verhältnisse für die ganze Familie zu schaffen. Frauen wollen einen Partner, der mitredet, mitträgt, mitentscheidet."

Sara darf also durchaus von ihrem Partner erwarten, dass er sich nach einer gewissen Ruhepause ihr und der Familie zuwendet. Sie darf ihre Wünsche nach Zweisamkeit und Gesprächen äussern und eine Veränderung der Situation erwarten.

Kennen Sie diese Situation auch? Hier einige Tipps:

1. Haben Sie keine Angst davor, Ihren Partner mit Gesprächen herauszufordern. Erinnern Sie ihn/sie gelegentlich wieder daran, was sie sich wünschen.

2. Sagen Sie Ihrem Partner, dass Sie von ihm/ihr erwarten, ernst genommen zu werden.

3. Diskutieren Sie immer sachlich und ruhig. Bleiben Sie in der Ich-Form: "Ich empfinde; ich bin traurig; es tut mir weh …."

4. Fragen Sie nach, weshalb Ihr Partner nicht redet. Vielleicht liegt das Problem ganz woanders: beruflich, gesundheitlich usw.

5. Werden Sie aktiv. Wenn Ihr Partner sich zunächst nicht bewegen lässt, dann unternehmen Sie etwas mit Freunden. Wenn Sie viel Spass haben, dann wird er beim nächsten Mal auch mitkommen wollen.

6. Pflegen Sie zu Hause eine gesunde Kommunikation. Erwarten Sie von Ihrem Partner, dass er/sie die Zeitung weglegt oder den Fernseher für Gespräche ausschaltet. (Fernseher stehen auch gut auf dem Dachboden - ausser an der WM.)

7. Bevormunden Sie Ihren Mann/Ihre Frau niemals! Hochachtung und Liebenswürdigkeit sind der Schlüssel zu jedem Herzen. Das bedeutet aber nicht, dass man ständig den Hofknicks machen muss.

8. Versuchen Sie immer, auch die guten Seiten am Partner zu sehen. Positive Menschen sind einfach attraktiver!

9. Achten Sie auf Ihr persönliches seelisches Gleichgewicht. Die eigene Unzufriedenheit ist ein schlechter Ratgeber für andere. Ausgeglichene Menschen können mehr bewirken als verbitterte.

Klappt es mit diesen Vorgehensweisen nicht, Ihren Partner aus dem Schneckenhaus zu locken, dann sollten Sie in Ihrem eigenen und im Interesse der Kinder eine Beratungsstelle aufsuchen.

Wenn der Partner nicht mitkommen will, gehen Sie alleine hin.

*Name geändert

Datum: 24.05.2006
Autor: Iris Muhl
Quelle: Jesus.ch

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