Leben und Tod von Polo Hofer

«Bi gwundrig, wie dr Schritt uf die anderi Site wird si»

Einer der ganz grossen Schweizer Musik-Pioniere der Mundartszene ist von dieser Welt gegangen. Sein Erbe ist umfangreich, sowohl musikalisch, als auch natürlich sprachlich-künstlerisch und philosophisch. Schon von Beginn weg waren die Top-Lebensthemen wie Liebe und Tod in seinen Liedern präsent.
Polo Hofer
Polo Hofer

72-jährig starb Polo Hofer am Samstagabend daheim in Oberhofen am Thunersee. «Tschou zäme, es isch schön gsy!», heisst es in der von ihm verfassten Todesanzeige. Er litt längere Zeit an Lungenkrebs.

«Am Samschtig, 22. Juli, churz vor Mitternacht, het mys letschte Stündli gschlage und i bi zfriede deheime ygschlafe», hiess es in einer kurzen Pressemitteilung, die seine Familie am Montagabend verschickte. Auf seinen Wunsch hin werde es keine Aufbahrung und keine Abdankung geben.

Polo Hofer, eigentlich Urs Alfred Hofer (Polo, tatsächlich sein Pfadfinder-Name) wurde am 16. März 1945 in Interlaken geboren und brachte mit Rumpelstilz 1976 in Berndeutsch unter anderem die beiden Hits Kiosk und Teddybär heraus. Sätze wie: «Bini gopfritstutz e Kiosk?» sind wohl jedem Schweizer schon begegnet. Beim Songwriting ist unbedingt der hochbegabte Hanery Amman zu erwähnen, welcher auch bei anderen Hits die Finger nicht nur im Tasten-Spiel hatte. Auch den Überhit «Alperose» schrieb er mit Polo Hofer zusammen. Dieses Lied nahm sogar Einzug ins Schweizer Volks-Liedgut und wurde 2006 vom Schweizer Fernsehpublikum zum grössten Schweizer Hit aller Zeiten gewählt.

Polo wie polarisieren

Toni Vescoli, ebenfalls Musiker aus derselben Generation und ein Bekannter von Polo Hofer, erklärte in «10vor10», dass Hofer durch sein endgültiges und doch volksnahes Profil den Sprung an die Spitze und einen aussergewöhnlichen Bekanntheitsgrad erlangte. So ist es durchaus verständlich, dass er mit seinen Haltungen für die Legalisierung von Cannabis und als Lebe-Mann mit viel Alkohol auch polarisierte – Polo, wie polarisieren: Das gehörte zu seinem Leben. Titel wie «Giggerig», «Eine nähme mer no» und «Kiffer» zeugen davon, dass er das Hier und Jetzt auslebte und nach dem Leben nicht mehr viel erwartete. Er gehörte definitiv zur Generation «Sex, Drugs and Rock'n'Roll». Doch blieb er nicht nur an der Oberfläche, sondern stemmte sich zum Beispiel gegen rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft.

Keine Angst vor dem Tod

Beim Turbo-Zünder des Mundart-Rock und des Schweizerdeutschen in den modernen populären Liedern wird wiederum in vielen Texten der Tod thematisiert. «Wenn mys letschtä Schtündli schlaht», «Ds letschte Hemmli» und «Im letschte Tram» sind nur ein paar davon.

«Der Tod hat mich schon immer beschäftigt, schon als junger Mann. Ich hatte nie Angst vor ihm, auch jetzt nicht. Ich grüble nicht. Jeder muss irgendwann sterben. Der Tod ist die einzige wahre Gerechtigkeit. Deshalb macht mir das Sterben auch nichts aus», so Hofer im Mai 2017 zur Berner Zeitung. Interessant ist auch, dass seine zweite Frau das Sarg-Atelier Alice Hofer (Praxis für angewandte Vergänglichkeit) in Thun führt.

Im Lied «Liebe Siech» meint er sinngemäss, er habe noch niemanden umgebracht und er sei ja schon recht. Ob das reicht, um in den so oft besungenen Himmel oder das Paradies zu gelangen, kann man durchaus anzweifeln. Doch sollte man hier den selbstironischen Unterton nicht überhören, der ihm oft eigen war. Bei Hofer scheint es andererseits doch nicht so wichtig oder auch nicht ergründbar zu sein, wie denn das Jenseits aussieht. Umso mehr ist es doch erstaunlich, dass er sich so sehr mit dem Tod und dem Leben danach beschäftigte. Dem Tod, den er wie einen nächsten Schritt auf seinem Weg sieht, sah er «gwundrig und nid ängstlech entgägä», wie er dem Fernsehen SRF mitteilte.

Vertrauen in mehr

Polo Hofer strahlte ein grundsätzliches Vertrauen ins Leben aus, im Hier und Jetzt zu leben ist eine seiner auffälligsten Botschaften. Obwohl er sich zeitlebens mit dem Tod beschäftigte, sah er sich allerdings nie als besonders religiös. Der kantige Musiker liess sich auch in diesem Punkt nicht in eine Schublade stecken.

Schlussendlich überlassen Polo Hofer und seine Mitmusiker der Nachwelt durch ihr umfangreiches, musikalisches Lebenswerk berührende Musik-Perlen wie «D Rosmarie und i», den kritisch-witzigen «Kiosk» oder den gesellschaftskritischen «Psycho-motorischen Wältschmärz-Reggae».

Sieht nun Polo Hofer die Alpenrosen von unten? Und dürfen solche Witze über den Tod überhaupt gemacht werden? Ich bin mir recht sicher, dass dies im Geiste Hofers wäre.

Eins von Polo Hofers Lieblingsliedern, wo er über Tod und Leben nach dem Tod singt:

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Datum: 26.07.2017
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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