Im «Joggeli» zu Hause

Nach der Lebenskrise ein Neustart

Daniel Mayer fühlt sich in der Muttenzerkurve im Basler «Joggeli» wieder wie zu Hause. Vor fünf Jahren ist ihm seine Leidenschaft zum Verhängnis geworden. Nun setzt er sich für gute Fankultur ein.
Brennende Muttenzer Kurve - Daniel Mayer setzt sich für eine gute Fankultur ein
Daniel Mayer

Nach Abschluss seines dreijährigen Studiums als Maschinenbautechniker hat der 25-jährige Daniel Mayer nun endlich wieder Zeit, das Fussballleben bei «Bratwurst und Bier» zu zelebrieren und seinen FCB lautstark anzufeuern. «Man kennt sich, sieht sich die ganze Saison; wir sind wie eine Familie,» so Daniel. Freudenfeuer mit roten Pyros, wehenden Fahnen, feierlichen Hymnen oder ausgefeilten Choreographien, die Begeisterung des Publikums, die euphorische Stimmung im «Joggeli» verleihen dem FCB Flügel. Der 14fache Schweizermeister hat sich erfolgreich für die Championsleague qualifiziert und tritt im Februar 2012 gegen Bayern-München an.

Ein Bier zuviel ...

Schon mit acht begeistert sich Daniel für Fussball und beginnt im Verein zu kicken und fängt bald Feuer für die legendären Stars des FCB. Er macht eine Lehre als Mechaniker, seine Freizeit wird vom Fussball bestimmt. Das hat Folgen. «Es hat mit einem Bier angefangen, daraus wurden zwei, drei und mehr, besonders wenn wir zusammen während Stunden mit dem Zug unterwegs zu einem Spiel waren.» Alkohol wird für Daniel zum ständigen Begleiter. «Hat man eine gewisse Menge getankt, dann brüllt man „jede Saich“ mit und findet das lustig», erinnert er sich.

Feurige Fans

«Fussball heisst für mich Emotionen pur, ob positive oder negative, die liegen ganz nahe beieinander.» Mit seinen Kumpels aus der «Muttenzerkurve» heizt er gerne den Zürcher oder Berner Fans im «Joggeli» zünftig ein. Und bei Auswärtsspielen zeigen sie lautstark und feurig, wer der Meister ist. So setzen sie im Zürcher «Hardturm» eine Fahne mit dem «Züri Leu» in Brand. Sich selbst inszenieren gehört zum Spiel der Fans. Wenn nötig, auch mit Gewalt.

Behütete Kindheit

Aufgewachsen ist Daniel wohlbehütet mit zwei älteren Schwestern in einer bürgerlichen Familie, der Vater Lokführer, die Mutter Hausfrau, sonntags ist Kirchgang. Der Glaube an Gott prägt die Familie. Doch die steife Sonntagsschule behagt Daniel nicht. Auch später in der Jungschar, selbst als «Jungschileiter», fehlen ihm die Action und Freiheit. Diese findet er in der Fussballszene. Warnungen seiner Eltern, sich zu mässigen, schlägt er in den Wind, bis er 2006 bei einem Match im Zürcher Hardturm von der Zuschauertribüne stürzt und sich dabei am Genick und am rechten Arm erheblich verletzt. Minuten lang ist er ohne Bewusstsein. «Als ich wieder zu mir kam, sahen mich alle so komisch an, und ich wusste erst gar nicht, was passiert war.» Doch die Folgen sind gravierend. Als Mechaniker ist er arbeitsunfähig, auch Sport ist nicht mehr möglich. Später verliert er wegen dem Alkohol auch seine Freundin.

Lebenskrise mit 20

Mit 20 steckt Daniel in der Krise, ist verzweifelt, alles scheint sinnlos, selbst Fussball. «Ich sah nur noch das Negative, wollte mich zwar verändern, bin dabei aber immer wieder gescheitert. Doch es musste einen Weg geben. Ich suchte Hilfe bei Gott und bat ihn: ‚Du musst mich verändern, ich schaffe es nicht selbst’. Dann ist es auf einmal vorwärts gegangen.»

Den Sinn finden

Beim Logotherapeuten Stefan Schwarz findet er fachliche Hilfe. Dieser erinnert sich: «Daniel wollte sich verändern, das ist die beste Voraussetzung, um jemanden zu beraten. Anfangs erlebte ich ihn als innerlich zerrissen. Die Werte, die ihm etwas bedeuteten, lebte er nicht, und die Werte, die er auslebte, stressten ihn.» Mit gezielten Fragen hilft er Daniel auf die Sprünge. «Daniel ist willensstark, sehr musikalisch und lernt leicht», stellt Stefan Schwarz fest. Als sie im Gespräch die Werte beleuchtet hätten, nach welchen Daniel leben wolle, auch Werte aus der Bibel, habe Daniel zu sich selber gefunden. Dadurch sei er echt geworden und selbstbewusst. Bereits nach dem sechsten Treffen hat Daniel seine Aufgabe und seinen Lebenssinn entdeckt. Dadurch konnte er auf Ersatzhandlungen wie Alkohol verzichten. «Es war nicht immer leicht, zu meinen Taten zu stehen, aber heute ich bin froh, dass ich mich für diese Beratung entschieden habe», stellt Daniel Mayer fest.

Neustart

Beim Studium zum Maschienenbautechniker wird er von seiner Firma grosszügig unterstüzt. Dennoch ist der Anfang schwierig, denn noch leidet Daniel an den Folgen des Unfalls. Er ist schnell erschöpft und müde. Doch er hält durch und schafft nach drei Jahren den Abschluss zum eidg. diplomierten Techniker. «Meine Freunde, meine Eltern, aber vor allem meine Beziehung zu Gott halfen mir dabei sehr.»

Explosive Stimmung

Daniel Mayer will gemeinsam mit seinen Freunden den FCB weiterhin lautstark und aggresssiv anfeuern: «Bis die Stimmung fast explodiert und Spieler das letzte aus sich rausholen, das „fägt", da bekomme ich eine Hühnerhaut» so Daniel. Zur guten Stimmung gehöre für ihn auch eine gesunde Rivaltiät unter den Fans. Doch dazu müssten sie sich nicht gegenseitig runtermachen oder gar die Köpfe einschlagen. «Ich will Fussball einfach zusammen mit meinen Freunden leben und im „Joggeli“ weiterhin für eine positive Fankultur sorgen.» Das wird den FCB hoffentlich auch gegen Bayern-München beflügeln.

Datum: 11.01.2012
Autor: Willy Seelaus
Quelle: Livenet

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