Zuerst Identität klären

Professor ermutigt zum Gemeindeaufbau in der Landeskirche

Mit einem handlichen Büchlein in der Reihe Theologische Studien regt der Zürcher Professor für Praktische Theologie, Ralph Kunz, zum «Aufbau der Gemeinde im Umbau der Kirche» ein.
Prof. Ralph Kunz in seinem Büro
Buch von Professor für Praktische Theologie, Ralph Kunz: Aufbau der Gemeinde im Umbau der Kirche

Ralph Kunz beschreitet ganz neue Wege, die eingefleischte traditionelle Landeskirchler herausfordern. Er verwirft insbesondere die Haltung, dass sich die Kirchgemeinde als Dienstleister für die vielen Steuerzahler verstehen müsse. In seiner Studie ermutigt er hingegen, sich gut zu überlegen, was eine Kirchgemeinde im Licht der Bibel ist. Er stellt dazu fest: «Die Gemeinde muss immer wieder – fröhlich und ernst, beharrlich und kreativ – daran erinnert werden, wer sie ist. Gemeindeaufbau ist Identitätsarbeit.»

Die Freiheit der Christen

Für das Erarbeiten der eigenen Identität gibt er dann auch die nötigen Hinweise und baut dabei besonders auf die Paulusbriefe auf. Paulus habe zum Beispiel recht harte Worte gebraucht, wo er die Gemeinde in Gefahr sah, aus der Freiheit der Christen in ein sklavisches Bewusstsein zurückzufallen.

Kerngemeinde mit aktiven Mitgliedern

Kunz plädiert dafür, dass Gemeindeglieder sich als aktive Mitarbeitende verstehen, die im Sinne einer allgemeinen Priesterschaft der Gläubigen Verantwortung übernehmen, und dass die Pfarrpersonen ihnen diese Verantwortung auch überlassen. Er spricht von einer «Kerngemeinde», welche aktiv am Aufbau der Gemeinde beteiligt ist. Die Kritik an diesem Gemeindebild weist er zurück. Das Argument, dass die «Kerngemeinde» nur für eine bestimmte Sorte des «homo religiosus» erträglich sei, bezeichnet er als Bankrotterklärung.

Kunz erläutert dazu: «Es ist jedenfalls nicht das Kerngeschäft der Kirche, den kirchenfernen Mitgliedern in einer gemeindefreien Zone Angebote zu machen. Denn wo nur Leistungen geboten oder konsumiert werden, entsteht keine Gemeinde.» Er ruft auch die distanzierten, aber steuerzahlenden Mitglieder zur Verantwortung auf und vergleicht mit den Pflichten der Staatsbürger, die auch zur Mitverantwortung aufgerufen seien.

Theologen und Pfarrerinnen lassen sich anstecken

Die Aargauer Landeskirche thematisierte die Ausführungen von Kunz an ihrem ersten «Salon théologique», an dem am 13. Januar in Aarau vor allem Theologinnen und Theologen teilnahmen, die sich von den Anregungen angesprochen fühlen. In einem engagierten Gespräch wurden diese aufgenommen und mit eigenen Erfahrungen verglichen. Die Betonung von Kunz auf der Feststellung, dass Gemeinde in erster Linie eine Sache von Jesus Christus sein, finde sie im aktuellen Leistungsdruck sehr entlastend, sagte eine Pfarrerin. Und ein Kollege von ihr stellte fest, sein einziger Verdienst an der gut laufenden Jugendarbeit in seiner Gemeinde liege wohl darin, dass er die Jugendlichen machen lasse.

Der Hintergrund der Studie von Kunz ist die Neuorganisation und der Umbau der Kirche in Kanton und Stadt Zürich. Er zeigt mit seiner Studie auf, dass der Fokus dabei nicht auf einem Rückbau liegen müsse, sondern ein Anstoss zur Neuorientierung und zum Neuaufbau sein sollte. 

Zum Buch:
Aufbau der Gemeinde im Umbau der Kirche

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Datum: 23.01.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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