Gegenakzent zu Konsumwahn

«Chouf-Nüt-Tag» soll Vorgeschmack auf Reich Gottes vermitteln

Am Samstag, 28. November, geht in Bern der «Chouf-Nüt-Tag» auf dem Casinoplatz über die Bühne. Mit diesem wird die Konsum-Hektik kritisiert, die gerade vor Weihnachten in extremem Mass auftritt. Unter anderem gehört ein Schweigekreis dazu. Wir unterhielten uns mit Remo Wiegand, Sprecher von «ChristNet», der christlichen Bewegung, die hinter dieser Aktion steht.
Infostand an einem «Chouf-nüt-Tag».
Remo Wiegand von ChristNet

Livenet: Remo Wiegand, was soll der «Chouf-Nüt-Tag» bewirken?
Remo Wiegand: Der «Chouf-Nüt-Tag» soll einen Vorgeschmack auf das Reich Gottes vermitteln, in dem Shopping kaum zum Standardprogramm gehört. Er soll uns daran erinnern, dass Konsum letztlich nicht erfüllend ist und eine Suchtkomponente hat. Durch die Werbung, die erfolgreich an unsere eigene Gier appelliert und – noch dreister – uns Glücksversprechen vermittelt, riskieren wir, immer mehr haben zu wollen. Doch je mehr wir besitzen, umso weiter entfernen wir uns von tiefer liegenden, immateriellen Bedürfnissen.

Welche Änderungen wünschen Sie sich?
Weniger Hektik, mehr Ruhe. Weniger Massenware, mehr Tante Emma-Läden. Weniger grossindustrielle Wachstumsideologie, mehr entschleunigte Märkte, auf denen man sich Zeit nimmt für handwerkliche Produkte, die mehr kosten, aber jenseits des Portemonnaies Platz für eine Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten lassen.

Diesmal kommt ein Schweigekreis dazu. Was soll mit diesem erreicht werden?
Ich war bisher einmal bei einem Schweigekreis dabei. Ich muss zugeben, es hat mich etwas Überwindung gekostet. Auf dem Berner Waisenhausplatz hab ich mich dann eingereiht neben rund 50 fünfzig Menschen, die für einen humanen Umgang mit Flüchtlingen warben. Und dann lief einfach nichts. Ruhe kehrte ein, ich nahm den Ort und diese Zeit ungemein intensiv wahr. Das verbale Hickhack oder die etwas künstliche Einheit, die an lautstarken Demos auch störend sein können, wich einem Gefühl der Verbundenheit mit all diesen schweigenden Menschen, die einfach da standen für etwas, das ihnen zutiefst am Herzen lag. Es war wie ein Gebet. Man ahnte, dass da jemand ist, der die Sehnsüchte in Empfang nimmt. Anders gesagt: Das Reich Gottes war spürbar. Dasselbe erhoffen wir uns für den Schweigekreis am «Chouf-Nüt-Tag».

Die Aktion wird in Bern durchgeführt, sind mit der Zeit weitere Standorte geplant?
Wir machen dort etwas, wo Freiwillige bereit sind, eine Aktion für den «Chouf-Nüt-Tag» auf die Beine zu stellen oder zumindest mitzutragen. Wir von «ChristNet» sind immer bereit, solche Initiativen mit Know-How, Vernetzung und Finanzen zu unterstützen.

Die Aktion wird von «ChristNet» organisiert, welcher Bezug zum Glauben ist da?
Man kann den «Chouf-Nüt-Tag» aus verschiedenen Motiven unterstützen. Die Erklärung von Bern oder die Organisation Décroissance tragen ihn aus wachstumskritischen und ökologischen Überzeugungen mit. Diese Grundüberzeugungen teilen auch wir. Motivierend wirkt für uns zusätzlich der christliche Glaube, den wir wesentlich auch als Appell zu Genügsamkeit und mitmenschlicher Grosszügigkeit verstehen. Das führt uns zu einer Kritik an einem blinden Konsumismus, der diese Werte kaum zu kennen scheint.

Was sagt die Bibel aus Ihrer Sicht zum Thema?
Ein klassischer Mutmacher für eine genügsame Lebenshaltung, die den Reichtum mehr im Dasein als im Haben erkennt, ist der Text aus dem Matthäus-Evangelium: «Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit gekleidet nicht gewesen ist wie eine von ihnen.» Ich denke, wir alle kennen Momente, in denen wir aus dem Stakkato des Alltags erwachen, staunen und uns auf einmal dieses tiefe Daseinsglück erfüllt. Lassen wir uns nicht vorgaukeln, dass dieses Geschenk, diese Gnade erkauft werden kann. Eher finden wir es in der Unterbrechung, die neue Räume für Gott aufmachen kann. Denn Gott ist «nicht im Feuer» des Konsumeifers, sondern viel eher im «Flüstern eines sanften Windhauchs», das nur gehört werden kann, wenn es still wird.

Wann betrachten Sie den «Chouf-Nüt-Tag» als gelungen?
Das ist schwierig zu sagen. Was die Aktion in Bern angeht, wäre es schön, wenn der Casino-Platz gut gefüllt ist und für Passanten sichtbar wäre, dass hier Menschen eine Alternative zur weihnächtlichen Konsumhektik propagieren. Und wenn dies auf andere Menschen einladend wirkt und die Weihnachtszeit so für den einen oder die andere einen besinnlichen Anfang nimmt.

Welche weiteren Aktionen fassen Sie mit «ChristNet» ins Auge?
Wir lancieren derzeit das Mehrjahresthema «Welche Schweiz wollen wir?» Es ist eine Einladung, vermehrt positive Visionen für die Zukunft zu entwickeln statt nur zu lamentieren, was schief läuft. In diese Einseitigkeit geraten auch wir bei «ChristNet» bisweilen. Zunächst einmal wünschen wir uns, dass möglichst viele Menschen an diesem Brainstorming auf unserer Homepage mitmachen. Nach und nach sollen sich daraus konkrete Aktionen ergeben, die wiederum einen Vorgeschmack auf das Reich Gottes vermitteln. Vielleicht eine persönliche Vision aus meinem Wohnort Luzern: Immer mehr Touristen besuchen die Stadt, der Rubel rollt, aber die Entfremdung zwischen den Einheimischen und den Massentouristen wächst. Wie wäre es, in kleinen Gruppen auf die Chinesinnen, Inder oder Araberinnen zuzugehen, sich als Part-time-Guide anzubieten und miteinander ins Gespräch zu kommen? Ich bin sicher, das wäre für die Touristen das stärkere Erlebnis als die Kapellbrücke und die Rigi zusammen. Und uns Schweizern winkt die unverhoffte Erfahrung, dass sich hinter den Konsumenten tatsächlich Menschen verbergen.

Zur Webseite:
Christnet
Chouf-nüt-Tag

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Datum: 24.11.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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