Weisheit als Ressource

Wie Ratsuchende weise werden können

Nicht nur die Berater brauchen nebst Fachkenntnis auch Weisheit, auch die Beratenen selbst sollen mehr davon bekommen. Eine neue Einsicht verschafft sich Beachtung.
Samuel Pfeifer
Ehemaliger Chefarzt Samuel Pfeifer
Samuel Pfeifer wurde als Gründer und Organisator des Anlasses von seinem Nachfolger, Sonnenhalde-Chefarzt Andreas Gschwind, verabschiedet.

«Wie blöd kann man sein, auch wenn man intelligent ist!» Samuel Pfeifer, ehemaliger Chefarzt der Klinik Sonnenhalde in Riehen, kennt dazu aktuelle Beispiele. Ein Professor, der seine Geldgier nicht mehr zähmen konnte, ein Politiker der Nacktselfies verschickte. Klugheit und Intelligenz können nicht verhindern, dass Menschen grosse Fehler machen. Um das zu verhindern, braucht es Weisheit. Und der Begriff liegt im Trend, wie die internationale Konferenz «Wisdom 2.0» nahelegt.

Weisheit ist insbesondere von Menschen gefragt, die mit depressiven Ratsuchenden oder unter Burnout Leidenden arbeiten und ihnen neue Perspektiven aufzeigen wollen. Pfeifer nannte am Riehener Seminar am 21. Oktober auf St. Chrischona dazu die vier Kernkompetenzen Empathie, Kontextualität, Zeitperspektive und Haltung/Handlung.

Empathie

Der Berater muss die Fähigkeit haben, sich in die Person des Ratsuchenden hineinzufühlen, und sich in seine Geschichte hineinzubegeben. Studien zeigen, dass dies den Erfolg der Therapie markant verbessert und wichtiger ist als alle Psychopharmaka. Empathie heisst aber auch, sich selbst wahrzunehmen und sich in die Dunkelheit der eigenen Existenz hineinzuwagen. Diese Kompetenz kann auch der Ratsuchende erwerben.

Kontextualismus

Der Begriff bedeutet, dass nach dem Beziehungsgeflecht der Person gefragt wird. Welche Verantwortungen hat er oder sie wahrzunehmen? In der Familie zum Beispiel. Wie kann zwischen eigenen Bedürfnissen und Verantwortungen unterschieden werden? Ratsuchende müssen zum Beispiel lernen, hier die Balance zu entwickeln.

Zeitachse

Das hektische Leben der Gegenwart hindert viele daran, zurück und vorwärts zu schauen. Sie sind in der Ich-Zentriertheit und dem «Modernity is Speed» gefangen. Ratsuchende können lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und auch Raum für Kompromisse zu entdecken.

Haltung und Handlung

Samuel Pfeifer zitiert Archimedes: «Wer die Welt bewegen will, braucht nicht nur einen Hebel, sondern auch einen festen Stand.» Moral ist in den Medien wieder wichtiger geworden. Werte wie Achtsamkeit erleben eine Renaissance. Wir entdecken aber auch, dass Spannungsfelder zum Leben gehören. zum Beispiel die Spannung zwischen Liebe und Distanz, oder zwischen Heimat und Aufbruch. «Weisheit lebt aus dem Spannungsfeld von Leidenschaft und Gelassenheit», sagt Buchautor Martin Schleske. Für Pfeifer eine wichtige Aussage. Auch das ist ein Lernfeld für Ratsuchende.

Pfeifer ermutigte dabei die Ratgeber zur Geduld. Sie sollen Ratsuchende als «Werdende» sehen. Und sie sollen «das Gewordene achten und das Werdende in seinen Möglichkeiten sehen».

Samuel Pfeifer wurde nach seinem Referat nach dem 25. Riehener Seminar als Gründer und Organisator des Anlasses von seinem Nachfolger, Sonnenhalde-Chefarzt Andreas Gschwind, verabschiedet. Er wird dem Anlass aber weiterhin als Referent zur Verfügung stehen.

Zur Webseite:
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Datum: 23.10.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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