Wie in kommunistischer Zeit

Bulgarien prüft Rückkehr zur totalen Kontrolle

Sozialistische Politiker lassen bald einen Gesetzesentwurf im Parlament besprechen, der die Glaubensfreiheit in Bulgarien massiv einschränken würde. Nicht weniger als die Rückkehr der totalen Kontrolle durch den Staat wird gefordert. Für die Christen ist dies sehr beunruhigend, erinnern sie sich doch an die tyrannische Zeit des Kommunismus. «Livenet.ch» beleuchtet die Lage im Interview mit dem bulgarischen Pastoren Peter Blaginov sowie Viktor Kostov,
Peter Blaginov
Viktor Kostov

Missiologe und Anwalt bei der «Alliance Defending Freedom».

Viktor Kostov, Sie betonen, dass viele die Tragweite dieses Gesetzentwurfs nicht erkennen. Was wird übersehen?
Viktor Kostov: Die beiden nahezu identischen Gesetzesentwürfe der Sozialisten verbergen nicht, dass sie die völlige Kontrolle über die Religion ausüben wollen. Ihr Anliegen enthält keine Scheu, die religiöse Freiheit und die Menschenrechte anzutasten. Eigentlich sollten alle die Gefahr sehen. Meine Sorge ist, dass unter dem Vorwand der Sorge vor Terror und radikalem Islam dieses Gesetz als notwendig angesehen wird. Es könnte dadurch breite Akzeptanz finden.

Peter Blaginov, wer steckt hinter dem neuen Gesetzesentwurf?
Peter Blaginov: Gewisse Regierungskreise in Bulgarien sind es noch von der Zeit des Kommunismus gewohnt, die christlichen Gemeinden und alle anderen religiösen Gemeinschaften streng zu kontrollieren. Die Jahre danach waren für sie eine Zeit der «Machtlosigkeit». Jetzt haben sie plötzlich das Gefühl, dass die Stunde für die totale Kontrolle wieder gekommen ist. Die Sozialisten und Scheindemokraten mit politischem Einfluss versuchen nun, dieses neue Gesetz einzuführen, damit wieder nur noch der Staat in Sachen Glaubensfreiheit das Sagen hat und die Christen, ähnlich wie früher, mit legalen Mitteln eingeschüchtert werden können. Es ist nichts anderes als der Wunsch, dass die Gemeinden geschwächt werden, die Leiter unter ständigem Staatseinfluss stehen und nur noch unselbständig und in Angst agieren.

Es wird gesagt, dass es schlimmer werden könnte als während der Kommunisten-Zeit – weshalb?
Viktor Kostov: Obschon dies nur Änderungen zum existierenden Gesetz sind, werden Beschränkungen eingeführt, die drastisch sind und das gleiche Level haben wie die staatliche Kontrolle über Christen in der Zeit des Kommunismus. Im Kommunismus wurde das Christentum als Feind des atheistischen Staats angesehen. Diese Linie war gezogen, auch wenn die Propaganda besagte, dass Religionsfreiheit bestehe. Heute bekennt sich Bulgarien zur Demokratie, doch dieser Vorschlag hat damit nichts zu tun, er ist Tyrannei. Denn die Vorschläge behandeln alle Gläubigen als potentielle Gefahr für die Gesellschaft, deshalb brauche es Überwachung. Die sozialistische Partei hat nichts aus der Geschichte gelernt. Statt sich bei den Christen für den Terror der Vergangenheit zu entschuldigen, wollen sie diese anti-religiöse, staatliche Kontrolle wieder einführen, 25 Jahre nach dem das atheistische kommunistische Regime zusammengebrochen ist.

Welche Gefahr für die Christen verbirgt sich hinter diesem Gesetz?
Peter Blaginov: Das Gesetz vermittelt dem Bürger das Gefühl, dass ihm in Zukunft nur noch der Staat vorschreiben wird, was er zu glauben hat und was nicht. Der Staat hat vor, eine Liste mit von ihm anerkannten Ausbildungsstätten im In- und Ausland zu erstellen, wonach nur noch die Absolventen von diesen Einrichtungen eine leitende Funktion innerhalb der religiösen Gemeinschaften einnehmen dürfen. Nach diesem Gesetz müssten die Gemeinden auch in regelmässigen Zeitabständen einen Finanzbericht abgeben, aus dem ersichtlich wird, woher jeder Rappen kommt. Anonyme Spenden aus dem Opferstock werden dadurch illegal. Es wird vorgeschrieben, dass nur ein minimaler Teil von der Gesamtfinanzierung aus dem Ausland kommen darf. Falls jemand die Finanzberichte nicht rechtzeitig abgibt oder sich weigert, die verlangten Mitarbeiterlisten einzureichen, droht eine Geldstrafe von bis zu 14'500 Schweizer Franken. Wenn Prediger aus dem Ausland kommen, muss auch das gemeldet werden. Noch schwieriger wird es, zum Beispiel, für die Staatsbürger, die nicht aus der EU sind. Das heisst, dass wenn ein Schweizer Prediger oder Jugendarbeiter nach Bulgarien kommt, es nicht sicher ist, dass die lokale Gemeinde die beantragte Bewilligung für seinen Dienst bekommen wird. Die Behörden dürfen bei bestehendem Zweifel, also ohne dass etwas bewiesen worden ist, die Erteilung der Bewilligung verweigern, wenn sie meinen, dass die Tätigkeit dieser Person die Staatssicherheit gefährden würde.

Gläubige dürfen sich laut diesem Papier nicht mehr «kritisch über die sozial-ökonomische Ordnung im Land äussern». Man dürfte also als Christ ab sofort Umstände oder Missstände nicht mehr kritisieren. Theoretisch müssten die Christen deshalb auch alle sozial-diakonischen Initiativen einstellen, weil sie ja durch ihr Engagement praktisch eine Kritik am Staat ausüben, indem sie sagen, dass er sich zu wenig um die Benachteiligten und Obdachlosen kümmert. Das alles beschreibt nur einen Bruchteil der beunruhigenden Punkte, die in diesem Gesetz verankert wären. Wenn man zurückblickt, kommt es einem irgendwie bekannt vor. Man braucht nicht ein Universitätsprofessor zu sein, um festzustellen, dass gerade das materialistische und kommunistische Gedankengut hinter diesen konkreten Bestrebungen steckt.

Geht es nicht einfach darum, die Gefahr, die durch islamische Terroristen entstanden ist, einzudämmen? Und welche Chancen hat dieses Gesetz überhaupt vor dem Parlament?
Peter Blaginov: Terroristen machen alles im Geheimen und sie würden trotz der Einführung eines solchen Gesetzes ganz sicher nicht den Staat über ihre Tätigkeiten, Vorhaben und Finanzierungsquellen informieren.

Das bulgarische Parlament führt zur Zeit viele neue Gesetze ein. Das vermittelt dem Volk das Gefühl, dass die Regierenden voller Tatendrang sind und zumindest etwas unternehmen. Parlamentarier mit atheistischer Prägung wären ganz sicher dafür. Es braucht jetzt schon in dieser Phase richtigen Widerstand mit starker Unterstützung aus dem Ausland, damit dieses Gesetz nicht durchkommt.     

Viktor Kostov, was sind Ihre nächsten Schritte?
Viktor Kostov: Wird ein solches Gesetz angenommen, bedeutet dies das Ende der Religionsfreiheit in Bulgarien. Wir verfolgen die Diskussionen im Parlament mit und bekunden unser Nichteinverständnis. Wir haben dem Parlament und verschiedenen europäischen Körperschaften eine Protestpetition gesendet von mehr als 100 Denominationen und 2'000 Einzelpersonen, auch aus der Schweiz – das kam in nur zehn Tagen zusammen. Christen sollen gegen solche restriktiven, unfairen Vorschläge aufstehen. Wir müssen zeigen, dass es nicht tolerierbar ist, dass wir wie Kriminelle behandelt werden, weil wir an Gott glauben. Wir müssen insistieren, dass die Verfassung und die EU-Konstitution Teil des bulgarischen Gesetzes ist, ein solcher Vorschlag verletzt diese Rechtsprechung.

Unter dem atheistisch kommunistischen Staat waren Christen Sklaven. Jesus lehrt uns, dass wir Gott geben, was Gottes ist und dem Kaiser, was ihm gehört. So aber müssten wir alles, was Gottes ist, dem Staat geben. Es ist höchste Zeit, dass wir den König ehren und Gott anbeten – und nicht andersherum. Die weltliche Regierung ehren beinhaltet, sie daran zu erinnern, dass sie sich verpflichtet hat, Freiheit und Demokratie zu gewähren.

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Datum: 22.04.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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