Weltgrösste Demokratie wählt

«Indien wehrt sich gegen Einflüsse von aussen»

Fünf Wochen dauerten die Wahlen in Indien. Am 16. Mai werden die Ergebnisse bekannt. Livenet.ch blickt bereits jetzt mit zwei Werken in die grösste Demokratie der Welt.
Das Parlamentsgebäude im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh.

Elefantöse Wahlen in Asien. Die Nation, die daran ist, China als bevölkerungsreichste Nation zu überholen, hat gewählt. Fast 815 Millionen Menschen haben den Weg an die Urne gefunden. Damit ist es die grösste Abstimmung, die bisher auf dem Planeten stattgefunden hat. Noch werden die Stimmen ausgezählt.

Mehrfach hat Bruno Fröhlich das Riesenreich bereist, das mehr Einwohner zählt, als Europa. Der Leiter des Schweizer Zweigs der «Europäischen Baptistenmission» (EBM) erklärt, dass auch der Ursprung seines Werks brückenbauende Funktion hatte: «Vor 60 Jahren gründeten wir die EBM. Die drei Länder Schweiz, Deutschland und Frankreich setzten damit kurz nach dem zweiten Weltkrieg ein Zeichen. Heute sind 16 europäische und ein paar afrikanische Bünde dabei.»

Grundrecht erhalten

«In Indien haben wir 14 Partnerorganisationen, darunter die Baptisten und die Heilsarmee, alle Mitarbeiter sind einheimisch», gibt Bruno Fröhlich einen Einblick in die Arbeit vor Ort. «Manche Partner führen zum Beispiel Augenoperationen durch, auch führen wir zwei Lepra-Kolonien und Kinderheime für Waisenkinder.» Nahrungshilfe für Kinder kommt dazu und Nähschulen für Frauen. Letzteres verbessert die Lebenschancen von Menschen aus der Kaste der Unberührbaren.

Und betreffend den Wahlen: «Wir arbeiten mit Minderheiten, auch Christen sind eine Minderzahl. Für sie geht es um die Grundmenschenwürde. Für sie ist nicht so wichtig, wer regiert. Wichtiger ist, dass man ihnen hilft, so dass sie ihr Recht auch erhalten.» Dies sei ein langer Kampf gegen wesentliche Treiber wie das Kastensystem, das zwar von der Verfassung her abgeschafft ist, in der Gesellschaft aber dennoch ein prägender Faktor ist. «Für unsere Arbeit rechnen wir nicht mit Veränderungen. Radikale Kräfte versuchen zwar nach mehr Macht zu streben, dort aber wo wir sind, vorwiegend im Staat Andhra Pradesh, herrscht eher Freiheit. Die Dörfer werden sowohl von Hindus wie von Muslimen und Christen beschallt – und das ist so akzeptiert. In anderen Bundesstaaten sieht das anders aus.»

Hilfe für Benachteiligte

Bereits seit dem Jahr 1852 wirkt das Werk «Interserve» in Indien. Insbesondere Frauen, die damals kaum Rechte besassen, lagen im Fokus. Aus diesem Grund sandte das Werk Frauen zu ihnen. Geschäftsführer Stefan Peter: «Von Anfang an war es unser Anliegen, den Benachteiligten zu dienen. Unsere Leute haben Schulen, Krankenhäuser, Frauenuniversitäten, landwirtschaftliche Projekte und Geschäftsbetriebe aufgebaut. Noch immer arbeiten wir in diesen Gebieten und mit verschiedenen Gemeinden zusammen.»

Etwas aber hat sich geändert: «Heute ist 'Interserve' in Indien nicht 'nur' ein Empfängerland, vielmehr sendet 'Interserve Indien' selber Leute in die arabische Welt und nach Asien.» Der Schweizer Zweig sendet heute vorwiegend für kurze Zeit Fachkräfte nach Indien.

Kaffeehaus verändert Leben

Sarah, eine Krankenschwester aus der Schweiz, hat beispielsweise im Norden ein Projekt besucht, das von Indern aus dem Süden aufgebaut wurde. Im Spital hielt sie Schulungen ab. «Sie sah viele Probleme, die es bei uns nicht mehr gibt und erlebte, wie mit einfachen und beschränkten Mitteln den Bedürftigen und Kranken geholfen wurde.» Oder die Schweizerin Damaris, die in ihrem zweimonatigen Aufenthalt in der Mitte Indiens ein Kaffeehaus aufbaute, das schon seit einem Jahrzehnt projektiert war. «Allerdings war bereits das Auftreiben des Schlüssel für den Raum eine Herausforderung. Dies und die kulturellen Eigenheiten brachten Damaris schon an ihre Grenzen. Trotz solchen Grenzerfahrungen empfand sie diesen Einsatz als gut und wegweisend für ihr Leben.»

Wahlen bringen Hoffnung

«Wir hoffen, dass die wirtschaftliche Entwicklung dem Land weitere Offenheit bringt und dass die neue Regierung beides fördert», blickt Stefan Peter in die Zukunft. «Es freut uns sehr zu sehen, wie engagiert die indische Kirche ist und unsere Hoffnung liegt auf ihr, weniger auf der Politik.»

Die Wahlen hätten keinen direkten Einfluss auf die Arbeit seines Werks im Land. «Wie sich die Wahlen auf unsere zukünftige Arbeit auswirken, ist unklar. Wir erleben, dass es schwieriger wird, Projekte und Arbeiten in Indien finanziell zu unterstützen. Indien wehrt sich zunehmend gegen Beeinflussung von aussen.» Deshalb fokussiere man sich hauptsächlich auf Kurzzeiteinsätze in Indien. «Um erste Erfahrungen in der internationalen Zusammenarbeit zu sammeln, eignet sich Indien hervorragend.»

Ausländische Mitarbeiter halten sich aus der Politik raus, berichtet John, der aus den USA stammt und für «Interserve Schweiz» in Indien arbeitet. Als wichtigen Punkt beschreibt er das Aufkommen der «Common man's Party», die aus der Anti-Korruptions-Bewegung stammt. «Das zweite Highlight ist die riesige Anzahl an jungen Menschen im ganzen Land, die erstmals wählen können. Die hohe Prozentzahl an Wählenden ist ein gutes Zeichen.»

Einen grossen ökonomischen Wandel erwartet er nicht. «Die Realität ist, dass die indische Wirtschaft von globalen Trends beeinflusst ist.» Politische Veränderungen seien nur kurzfristig.

Kaum Änderungen für NPOs

Wahlen, so John weiter, würden Non-Profit-Organisationen und christliche Missionen kaum beeinflussen. «In den letzten zwanzig oder mehr Jahren haben alle Regierungen die Non-Profit-Organisationen immer enger überwacht. Dies unter dem Vorwand, sie vor terroristischen Bedrohungen besser schützen zu wollen.»

Mehr Rechenschaft werde eingefordert. Da und dort sei es zu Einschüchterungen gekommen. «Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, doch das Tempo könnte sich erhöhen, wenn die Oppositionspartei an die Macht kommt.» Religiöse Minderheiten könnten dann vor grösseren Herausforderungen stehen.

Datum: 13.05.2014
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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