Prophetie

Anregungen und Kriterien für die Gemeindepraxis

Dieser Artikel ermutigt zur Prüfung von Prophetien anhand einiger Kriterien, vor allem aber dazu, das Einüben der prophetischen Dienste im Gemeindekontext zu erleichtern.
Prophetie

Wir erleben seit einigen Jahren eine starke Häufung von Endzeitprophetien. Letztes Jahr wurde mir eine Prophetie viermal per E-Mail zugeschickt mit der Bitte, sie zu prüfen. Dieser Inflation an prophetischen Äußerungen im Land entspricht der Mangel an wirklicher Leitung und Begleitung durch die Verantwortlichen in den Gemeinden. Deshalb kommt es darauf an, dass wir einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Gabe der Prophetie gewinnen. Weder die “Feuerlöscher-Methode”, die alles Prophetische auslöscht, noch ein lockerer Gebrauch, der alles einfach stehen lässt, sind hier angebracht. Gerade die prophetisch begabten Männer und Frauen brauchen eine liebevolle, klare Begleitung durch die Verantwortlichen.

Die Gabe der Prophetie ist ein Angebot Gottes an uns. Paulus hat dieses Charisma besonders hoch geschätzt: „Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die prophetische Rede!“ (1 Kor 14,1)

Zuerst kam nur rostigbraunes Wasser ...

Während eines Seminars, in dem wir um die Gabe prophetischen Redens beteten, wurde uns dazu ein hilfreiches Bild gezeigt: Eine Teilnehmerin sah in einem geistlichen Bild eine Wasserleitung, die im Frühjahr nach der Winterpause wieder aufgedreht wurde und aus der rostigbraunes Wasser kam - und sofort wurde sie wieder abgedreht.

Geschieht nicht genau dies in unseren Gemeinden? Wenn sich nach der langen geistlichen Winterpause erstmals prophetisches Reden ereignet, dann drehen wir sofort wieder den Hahn zu; wir haben Angst, dass vielleicht manches Ungeklärte mit herausfließt. Wir sollten hier aber anders handeln:

Der Reifungsprozess muss in Gang kommen

Die Gemeinden brauchen Schulung, damit gesunde Prophetie unter uns heranwachsen kann. Ich möchte drei Voraussetzungen dafür nennen:

1. Geeignete “Räume” schaffen
Die Gabe der prophetischen Rede braucht - wie alles Junge und Zarte - besondere Räume, wo sie wachsen kann. Besonders gut geeignet sind Haus- oder Gebetskreise mit reifen Leitern. Dort kann das Beten aus dem Hören geübt werden. Zeiten der Stille und des Schweigens während einer Gebets- oder Anbetungszeit sind Räume, in denen der Heilige Geist gerne zu uns spricht. Auch Werkstattgottesdienste haben sich gut bewährt.

2. Vertrauen statt Angst
Bei einer so sensiblen Gabe muss eine Atmosphäre des Wohlwollens und Vertrauens herrschen. Auch hier gilt der Satz: “Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.” (1 Joh 4,18)

3. Die biblischen Anweisungen ernst nehmen
Wir verlieren die Gaben des Heiligen Geistes durch Ungehorsam und Unkenntnis. Viele prophetische Bilder fallen in den Gottesdiensten und Versammlungen unbeachtet zu Boden. Wenn solche Bilder nicht wirklich ernst genommen und wohlwollend geprüft werden, dann ist dies eigentlich ein Zeichen von Angst oder Missachtung. Umgekehrt gilt aber auch: Wer prophetisches Reden ernst nimmt, der muss auch nachfragen und prüfen dürfen. Wenn wir wirklich reifen wollen, dann müssen wir das “rostige Wasser” herausfließen lassen, bis es reiner geworden ist. Dies aber ist die Aufgabe der Gottesdienstleitung; sie trägt die Verantwortung für die Prophetie, nicht der Prophet selbst.

Und die Endzeitprophetien?

Ich möchte hier nicht auf den Inhalt solcher Endzeitprophetien im einzelnen eingehen, sondern einige grundsätzliche Kriterien zum verantwortungsbewussten Umgang mit Prophetie nennen:

1. Die Person des Propheten: Wer eine so umfassende Prophetie über Länder und ganze Kontinente weitergibt, wie es in dem erwähnten Fall geschah, muss sich lange Zeit im prophetischen Dienst bewährt haben und in seiner Kirche anerkannt sein. Seine geistliche Leiter müssen für ihn Verantwortung übernehmen.

Herumreisende Propheten, die geistliche nicht eingebunden waren, standen schon in der frühen Christenheit in der Gefahr, sich geistlich zu verirren oder zu verrennen. Die große Zurückhaltung der frühen Kirche (2. und 3. Jahrhundert) und das Zurückdrängen der Gabe der Prophetie beruht vor allem auf den vielen negativen Erfahrungen mit prophetischen Einzelgängern.

2. Die häufigste Form der Prophetie ist die Offenbarung (“apokalypsis”). Hier wird etwas aufgedeckt, was unseren Augen oder unseren Gedanken verborgen ist. Das griechische Wort “apokalyptein” bedeutet „eine Decke wegnehmen“. Prophetische Eindrücke haben meistens einen seelsorgerlichen Charakter (vgl. 1 Kor 14,3); die Ansage künftiger Ereignisse dagegen ist ein seltenes Geschehen.

3. Jede Prophetie muss am Wort Gottes gemessen werden. Prophetie ist in der Regel eine Aktualisierung oder eine Konkretisierung des Gotteswortes, das uns in der Bibel gegeben ist. Die Grundlinien biblischer Aussagen müssen deutlich in den Prophetien zu wiederzuerkennen sein.

4. Bei einer Prophetie sind drei Aspekte zu unterscheiden. Zu einer Prophetie gehören drei Teile:
- die eigentliche Prophetie (z. B. eine Vision oder Audition)
- die Auslegung dieses prophetischen Eindrucks
- seine Umsetzung in die Tat

Es hat sich bewährt, dass prophetisch begabte Menschen ihre Prophetie nicht selbst auslegen, sondern diese zunächst „in die Mitte legen“. Einzelne oder mehrere, die eine entsprechende Gabe haben, legen dann die Prophetie aus. Erst danach wird überlegt, welche konkreten Schritte zu tun sind. Sehr häufig geschehen die Fehler gar nicht bei der prophetischen Schau oder beim prophetischen Hören, sondern durch eine ungenaue Wiedergabe der Eindrücke oder bei der Auslegung.

5. Ein großes Problem der Propheten ist die zeitliche Einordnung: Wann und in welchem Zeitrahmen wird das Gesehene eintreffen?

Schon Jesus hat davor gewarnt, Zeitpunkte zu berechnen: „Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.“ (Mk 13,32.33) Oder: „Darum seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.“ (Mt 24,44) Wenn sich „Propheten“ jedoch an konkrete Zeitangaben heranwagen, dann müssen sie an diesen auch gemessen werden.

Wichtig ist hier auch die folgende Unterscheidung: Manchmal handelt es sich gar nicht um eine Prophetie, sondern schlicht um eine Selbsttäuschung, eine Prognose oder um Hellseherei. Prognose ist eine Verlängerung bestimmter Erfahrungswerte in die Zukunft hinein. Hellseherei dagegen schöpft aus Quellen, die uns Christen nicht erlaubt sind (vgl. 3 Mose 19,26; 5 Mose 18,10). Gott hat uns in seiner Fürsorge dieses Hineinsehen in die Zukunft ausdrücklich verboten.

6. Paulus schreibt, dass echte Prophetien eine dreifache Aufgabe haben: „Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung“ (1 Kor 14,3).

Auch hinter Gerichtsankündigungen steht Gottes Heilsplan. Er sagt: “Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen ... und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?” (Hes 18,23) Für mich ist dieser Heilswille Gottes ein Zeichen für die Echtheit einer Prophetie. Wo die Möglichkeit der Umkehr fehlt, ist große Zurückhaltung angesagt.

7. Echte Prophetie ist zur Zukunft hin offen. Ein Kriterium bei der Bewertung von Prophetie ist die Möglichkeit zur Umkehr. Bei den biblischen Vorbildern heißt es oft: „Wenn ihr nicht umkehrt und Buße tut ...!“

Es ist also ein Kennzeichen des Heiligen Geistes, dass er uns die Augen für unsere Schuld öffnet; er will uns zur Umkehr führen. Dagegen ist es ein Kennzeichen für einen „unheiligen Geist“, dass er “verdammt”: Er verbaut die Zukunft; er will Vernichtung und nicht Rettung.

8. Heiligung statt Horror. Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen und von Menschen verursachte Katastrophen wurden immer schon als Zeichen der Endzeit gedeutet. Durch die Massenmedien bekommen wir fast täglich Bilder und Nachrichten von solchen Ereignissen. Sensible Christen werden dadurch an die Aussagen der Bibel erinnern und meinen: „Jetzt werden die Gerichte der Johannes-Offenbarung vollstreckt.“ Gott behält sich jedoch vor, wann für uns selbst und für diese Welt der „jüngste Tag“ kommt.

Viel wichtiger als die endzeitliche Einordnung solcher beängstigender Horrorberichte ist unsere Heiligung. Es kommt viel mehr darauf an, den Willen Gottes zu erfüllen, als vor solchen Ereignissen zu erschrecken.

Mir hat immer die Gelassenheit Martin Luthers imponiert, der gesagt hat: Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Lesetipp:
Bruce Yocum, Prophet und Prophetie, Leuchter Edition 1995,
siehe: www.shop.livenet.ch/index.html?a=21483&f=0

Autor: Friedrich Aschoff

Datum: 04.04.2005
Quelle: come

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