Andi Weiss

«Jeder Mensch braucht ein Zuhause»

Angespornt durch den erhaltenen «Nachwuchspreis für Songpoeten» und den DAVID-Award als «Bester Nationaler Künstler», bringt Singer-Songwriter Andi Weiss sein drittes Solo-Album auf den Markt. «Heimat» heisst es und erscheint im Februar 2011. Gewohnt ruhige Popsongs, die ein wenig an Reihard Mey erinnern mit nachdenklichen, aber auch heiteren Geschichten rund ums Thema Heimat. Wir wollten mehr erfahren.
Andi Weiss.
Das neue Album heisst «Heimat».

Livenet.ch: Warum der Titel Heimat?
Andi Weiss: Was sich auf den ersten Blick vielleicht altbacken anhört, keimt sehnsüchtig in unseren Herzen. Ich begegne vielen Menschen, die mir von Heimatlosigkeit erzählen. Ich denke an die vielen, die sich auf der Suche nach Erfüllung grosse Luftschlösser bauen. Doch wenn das Fundament zu wackeln beginnt, bekommt das Lebenshaus Risse und droht einzustürzen. Manche sind ständig unterwegs und kommen dennoch nirgendwo an. Ich denke an Globetrotter, Vielflieger, Weltenbummler, Durchstarter und Karrierekraxler, Erfolgreiche und ewige Glückssucher. Irgendwie teilen sie die gleiche Sehnsucht im Herzen: Nach Hause zu kommen – eine Heimat zu haben

Was verbindest du mit dem Begriff Heimat?
Als ich klein war, gab es in unserer Siedlung einen grossen Spielplatz. Dahinter grenzte ein kleines Wäldchen unser Areal von Eisenbahngleisen ab. Eines Tages ging ich – ich war schon immer neugierig – durch das Wäldchen zu den Gleisen und habe mich auf die Schienen gesetzt. Die Schottersteine waren tolle Bauklötze, mit denen man schöne Türme bauen konnte. Da sass ich völlig unbedarft und war mir keiner Gefahr bewusst. Gott sei Dank sah mich dort eine Frau. Zuerst hat sie mich ziemlich ausgeschimpft und wollte wissen, wo ich wohne. Meine Antwort war klar: «Bei meiner Mama!» Sie hat sich dann in der Nachbarschaft durchgefragt und endlich haben wir mein Zuhause gefunden. Meine Mutter hatte mich schon überall gesucht und freute sich, mich endlich in die Arme schliessen zu können.

Heimat ist also mehr als eine Strasse oder ein Ort. Christian Morgenstern hat gesagt: «Heimat ist da, wo ich verstanden werde...» Ich brauche Menschen, die bereit sind, mich in meiner Lebensgeschichte, meinen Wünschen, meinen Sehnsüchten und meinen Grenzen zu verstehen. Wenn das geschieht, bin ich zu Hause.

Du sagst, es ist eine Kunst, bei sich selbst zu Hause zu sein.
Der Weg nach Hause ist kein Spaziergang, eher eine Übung. In unserer Gemeinde haben wir den Landstreicher «DJ Lothar». Nicht selten wartet er nach dem Gottesdienst am Kirchenausgang und erhofft sich so ein paar Spenden. Sein Markenzeichen ist ein übervoller Einkaufswagen, in dem er neben seinen Überlebens-Utensilien den wirrsten Krimskrams transportiert. Neulich wollte ein Gemeindeneuling, der unseren Stammgast noch nicht kannte, den Wagen zum Wertstoffhof bringen. Er dachte, jemand hätte seinen Müll stehen lassen. Da schrie DJ Lothar ihn an und schubste ihn unsanft vom Wagen weg. Als sich der Mann bei ihm entschuldigte, er hätte gedacht, das wäre Müll, lallte DJ Lothar: «Natürlich ist das alles nur Scheiss, aber es ist mein Scheiss!»

So viel Philosophie in einem Satz! Und eigentlich ist das genau mein Anliegen. Ich möchte Menschen ermutigen, zu ihrem Leben zu stehen! Mag dein Leben noch so traurig und deine Vergangenheit noch so schwierig sein, dieses Leben ist dein Leben – also lebe es heute und liebe es!

Manchmal finden Menschen ihre Heimat langweilig...
Auf der anderen Seite des Ufers ist das Gras immer grüner. Ich möchte aber mit dem Buch und der CD einen Blickwechsel wagen. Wenn ich die Frage umdrehe und nicht überlege, was andere alles haben, sondern auf das blicke, was ich besitze, werde ich zufriedener. Dieser Gedanke macht mich immer wieder dankbar und glücklich.

Was motiviert dich eigentlich, Lieder zu schreiben?
Für mich ist das Liederschreiben eine tiefe therapeutische Erfahrung. Es hilft mir, manche Dinge zu verdauen, zu bearbeiten, zu durchdenken und dann entsteht aus den Gedanken ein Lied. Manchmal ist es dann wie wenn ein Knoten aufgeht. Und ich kann mit manchen Fragen weiterleben, weil ich sie gestellt und bearbeitet habe – auch wenn ich vielleicht noch keine Antwort dafür gefunden habe. Meine Lieder liegen auf meinem Lebensweg und manchmal kommt es mir so vor, als müsste ich sie nur aufheben. Mir fällt es schwer, «Lieder zu machen» – ich lassen sie mir lieber schenken.

Und was möchtest du deinen Zuhörern mit deinen Songs mitgeben?
Ich mag es, wenn man ehrlich auf das Leben schaut. Wenn Zweifel und Ängste, Schuld und Versagen, Niederlagen und Widrigkeiten erzählt werden dürfen, um andere Menschen zu ermutigen. Meine Lieder zeugen von den Ecken und Kanten, die das Leben so mit sich bringt und gleichzeitig bleibt da ein hoffnungsvolles «trotzdem». Menschen tut es gut, einen Ort zu haben, an dem nicht nur von Erfolgen berichten muss, sondern wo man auch in seinen Schwierigkeiten ernst genommen wird. Es tut gut, wenn mir jemand zuhört. Ich merke, ich bin nicht allein, da gibt es Menschen, die mit mir gehen das gibt es einen Gott, der mich begleitet und selbst im dunkelsten Tal nicht alleine lässt.

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Das Livenet-Dossier

Datum: 04.01.2011
Autor: Miriam Hinrichs
Quelle: Livenet.ch

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