Efraim Tendero:

«Ich glaube nicht an ökumenische Beziehungen»

Efraim Tendero, Leiter der Weltweiten Evangelischen Allianz, sprach an einer Versammlung in Italien über das Verhältnis der Römisch-katholischen Kirche mit den evangelischen Kirchen. Er will den Fokus mehr auf Mission statt auf die Ökumene legen.
Efraim Tendero, Leiter der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA)
Jaume Llenas, Leiter der Spanischen Evangelischen Allianz

«Die Gute Nachricht von Jesus Christus weiterzuerzählen sollte immer Priorität haben für evangelische Christen», betonte Tendero an dem Treffen der Italienischen Evangelischen Allianz. Er nannte dazu fünf zentrale Glaubenssätze von evangelischen Christen:

  1. Wir glauben an die Autorität der Bibel als das Wort Gottes
  2. Wir glauben an einen Gott in drei Personen
  3. Wir glauben, dass Jesus Christus Gott ist
  4. Wir glauben, dass man nur durch den Glauben an Jesus Christus gerettet wird
  5. Wir glauben, dass Mission für die Gemeinde zentral ist

«Diese fünf Punkte machen uns zu evangelischen Christen», meinte Tendero, «und das ist der Grund, wieso Katholiken nicht mit evangelischen Christen gleichzusetzen sind.» Denn sie hätten eine Tradition, die zur Bibel hinzugefügt wird, und sie glaubten, dass man neben Jesus auch durch Werke errettet werden könne.

«Jede Gemeinde hat ihren eigenen Papst»

Zu den Unterschieden innerhalb der evangelischen Kirche sagte der WEA-Leiter: «Eines der Hindernisse für die Verbreitung des Evangeliums ist der Mangel an Einheit innerhalb der evangelischen Kirche. Wir haben nicht einen Papst, wir haben die Priesterschaft aller Gläubigen, unter dem Haupt, das Jesus Christus ist.» Die WEA mache die Einheit unter Evangelischen sichtbar. «Und doch scheint es manchmal, als ob jede Gemeinde ihren eigenen Papst hat», fügte er sarkastisch hinzu.

Fokus auf Gemeinsamkeiten statt Unterschiede

Er rief deshalb dazu auf, sich auf Einigung zu konzentrieren und das gemeinsame Ziel und die gemeinsamen Nenner zu suchen und im Fokus zu haben. «Das ist, was Jesus 'sich selbst verleugnen' genannt hat.»

Der Generalsekretär schloss mit der Erinnerung daran, dass missionales Bezeugen (das Evangelium verkünden) und das Bezeugen als Salz und Licht (die Gesellschaft bewahren und verändern) Hand in Hand gehen müssten.

Hindernisse für Ökumene

Jaume Llenas dagegen sprach über die Unterschiede der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche: «Für die Katholiken ist die Kirche die Institution und deshalb würden sie sagen, dass wir Evangelischen nicht Kirche sind.» Die Evangelischen hingegen sähen die Kirche nicht als eine menschliche Institution, glauben aber, dass es auch Kirche in der katholischen Kirche gibt. «Das ist das erste Problem, das wir haben.»

Das zweite Hindernis sei, dass es keine gemeinsamen Autoritätsquellen gäbe. «Das bedeutet, dass wenn wir im Dialog mit ihnen sind, dies meistens nirgendwohin führt. Wir verlieren nur Zeit. Das ökumenische Gespräch ist frustrierend.»

Dialog mit der Gesellschaft, nicht mit Katholiken

Dialog müsste aus einer neuen Perspektive gesehen werden. «Wir müssen zu einem neuen Konzept übergehen: dem Dialog mit der Gesellschaft. Wir müssen mit der ganzen Gesellschaft sprechen. Wir müssen die Gesellschaft durchdringen und dort, in der Gesellschaft, finden wir auch Katholiken.»

«Wenn wir in einem religiösen Kontext mit Katholiken sprechen, sind wir auf verschiedenen Ebenen – sie sind höher –, aber der Dialog in der Gesellschaft ist anders.» Llenas brauchte das Beispiel eines Hotels: «Der Katholizismus ist in der Luxus-Suite beheimatet, während wir Evangelischen in einem normalen Zimmer wohnen. Aber das Gespräch sollte nicht in der Suite über die Bühne gehen, sondern in der Bar in der Eingangshalle, wo wir alle gleich sind.»

Traditionen und postmoderne Gesellschaft

Ein Problem für die Zukunft des Katholizismus sei, dass seine Tradition nicht Teil des Glaubens ist, sondern im Zentrum stehe, meinte Llenas weiter. Wenn man genau hinhöre, ginge es nur um Tradition. «Sogar die Bibel ist für sie Tradition. Die Autorität der katholischen Kirche ist nicht die Bibel, sondern das Magisterium der katholischen Kirche.»

Die Realität sei jedoch, dass es keine traditionellen Menschen mehr in Europa gäbe. «Wir sind postmodern, und die katholischen Kirchen haben postmoderne Mitglieder, deshalb sinkt das Boot.» Dies habe auch einen Einfluss auf die evangelischen Kirchen. «Das Christentum als kulturelle Ära geht auch für uns ihrem Ende zu. Und wir sind nicht mit der Gesellschaft verbunden», warnte Llenas.

Gemeinsam Gutes tun und Seite an Seite kämpfen

Jaume Llenas, Leiter der spanischen evangelischen Allianz, bestätigte zum Schluss: «Wir befürworten keine gemeinsame Proklamation mit den Katholiken, dies stiftet nur Verwirrung. Aber ich sehe Spielraum, gemeinsam Gutes zu tun und gemeinsam zu kämpfen, nicht nur mit Katholiken, sondern auch mit anderen Gruppen in der Gesellschaft.»

Efraim Tendero erzählte von den Philippinen, wo es 10 Prozent Reformierte und 80 Prozent Katholiken gebe, und meinte, sie hätten «gute Beziehungen, aber keine ökumenischen Beziehungen».

«Als evangelischer Christ glaube ich nicht an ökumenische Beziehungen.» So sei auch der Name der «Gruppe für Ökumenische Beziehungen» der WEA geändert worden zu «Gruppe für interreligiöse Beziehungen» (wenn es um das Gespräch mit anderen Religionen geht) und «Gruppe für intrareligiöse Beziehungen» (wenn es um den Dialog mit anderen christlichen Konfessionen geht). Die Namensänderung solle zeigen, dass diese Dialoge nicht ökumenischer Natur seien.

«Wir können eine überwältigende Minderheit sein»

In seiner 20-jährigen Tätigkeit in den Philippinen initiierte er den interreligiösen Dialog mit verschiedenen Religionen. Dort legen sie den Fokus auf soziale Fragen, bei denen sie zusammenarbeiten müssen. «Wir sind eine kleinere Gruppe, aber wenn wir uns im 'Foyer' treffen, sind wir alle auf der gleichen Ebene.» Und er fügte hinzu: «Wir mögen eine Minderheit in diesen Dialogen sein, aber mit Gottes Führung können wir eine 'überwältigende Minderheit' sein».

Giacomo Ciccone, Leiter der italienischen Allianz, schloss sich diesen Ausführungen an: «Wir unterscheiden zwischen geistlicher Einheit auf der einen und gemeinsamer Kampfführung und Dialog auf der anderen Seite.» Und: «Wir sind sehr entschlossen, den Dialog zu suchen, zu debattieren und Seite an Seite mit den Katholiken zu kämpfen. Aber die geistliche Einheit muss auf biblischen Kategorien fundiert sein.»

Originalartikel (Englisch): 'A clear evangelical identity strengthens our dialogue with society'
Interview mit Efraim Tendero

‘A clear evangelical identity strengthens our dialogue with society’
See more: http://evangelicalfocus.com/europe/1555/A_clear_evangelical_identity_strengthens_dialogue_with_the_society_llenas_tendero

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Datum: 25.05.2016
Autor: Anja Janki
Quelle: Livenet / Evangelicalfocus.com

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