Umgang mit dem Bösen

Exorzismus mit Todesfolge

In Frankfurt am Main stehen fünf südkoreanische Staatsbürger vor Gericht. Die Anklage lautet: Mord. Die Angeklagten versuchten, einer 41-jährigen Familienangehörigen mit Gewalt Dämonen auszutreiben. Sie starb bei diesem Versuch. Ein Kommentar von Hauke Burgarth.
Düstere Abendstimmung
Redaktor Hauke Burgarth

Exorzismus ist immer ein polarisierendes Thema. Das gilt natürlich in besonderem Masse, wenn nicht Befreiung am Ende steht, sondern ein Todesfall. Bei Prozessbeginn in Frankfurt sind noch kaum Hintergrunde zum Fall bekannt. Die Angeklagten schweigen zum Tathergang und auch zu ihrem Glauben. Was ist geschehen? Und über diese Tat hinaus: Wie beurteilen Christen die Praxis eines Exorzismus? Gibt es tatsächlich so etwas wie einen «Befreiungsdienst»?

Tödliche Teufelsaustreibung

Was schliesslich mit dem Tod einer 41-jährigen Frau endete, begann als geschäftliche Unternehmung einer Familie. Eine Gruppe von Südkoreanern kam im Herbst 2015 nach Deutschland, um im Rhein-Main-Gebiet ein Import-Export-Geschäft zu eröffnen. In ihrem Wohnsitz, einem Haus in Sulzbach, entdeckten sie angeblich Spuren von Dämonen und zogen daraufhin in ein Frankfurter Hotel um. Dort soll die später Ermordete auffällige Selbstgespräche geführt und geschrien haben. Die übrigen Familienangehörigen versuchten daraufhin offensichtlich, der für sie besessenen Frau den Teufel auszutreiben. Dabei misshandelten sie sie so schwer, dass sie an den Folgen starb. Das Gericht steht vor der schwierigen Aufgabe zu entscheiden, wie das Ganze strafrechtlich zu bewerten ist: War es Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge?

Erste Reaktionen

In ersten Pressereaktionen werden Parallelen zum Fall von Anneliese Michel gezogen, die 1976 nach dem wochenlangen versuchten Exorzismus eines katholischen Geistlichen an den Folgen extremer Unterernährung starb. Während die meisten Medien zum aktuellen Fall klarstellen, dass über den religiösen Hintergrund der Täter noch nichts gesagt werden kann, verweist «Die Zeit» bereits auf «christliche Gruppen, wie die Pfingstler-Bewegung».

Exorzismus heute?

Im Neuen Testament ist an einigen Stellen die Rede von besessenen Menschen. Sie werden als gewalttätig, selbstzerstörerisch und krank beschrieben. Solche Besessenheit wird völlig selbstverständlich erwähnt und nie infrage gestellt. Andererseits lässt sich von der damaligen Zeit auch keine Differenzierung erwarten – im Sinne einer Unterscheidung zwischen Erkrankungen wie Epilepsie oder Schizophrenie auf der einen und einer geistlichen Beeinflussung durchs Böse auf der anderen Seite.

Entsprechend unterschiedlich bewerten Christen heute Besessenheit bzw. Exorzismus. Liberale Christen rechnen nicht mit der Existenz von Dämonen, ein Exorzismus erübrigt sich. Katholische Christen glauben teilweise an einen personalen Teufel. Exorzismus wird praktiziert, in Deutschland oder der Schweiz allerdings sehr selten und dann meist von besonders geschulten Priestern. Der Pietismus ordnet diese Phänomene ähnlich ein, nur ohne die Betonung eines Amtes zum Austreiben von Dämonen. Etliche pfingstkirchliche Kreise betonen nicht nur stark das Vorkommen des Teufels, sondern auch den Kampf gegen ihn («geistliche Kampfführung»). Der «Befreiungsdienst» erhält hier dementsprechend oft einen grossen Stellenwert.

Befreiungsdienst praktisch

Die meisten seriösen Christen sind sich – unabhängig von ihrer Einschätzung zum Teufel als Person – darin einig, dass man nicht vorschnell von einzelnen Symptomen auf eine Besessenheit schliessen darf. Nicht jede Krankheit, Zwangshandlung oder psychische Störung ist gleich Besessenheit. Andererseits ist es mehr als eine Binsenwahrheit, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als das, was man sieht. Biblisch fundierte Begründungen für einen umfangreichen Befreiungsdienst lassen sich trotzdem kaum finden. Christen setzten zu allen Zeiten eher positive Schwerpunkte für ihr Handeln: das Bekanntmachen der guten Nachricht von Gottes Vergebung bzw. die praktische Hilfe für Arme, Verfolgte und Kranke. Das Erkennungsmerkmal von Christen ist es, an Christus zu glauben, nicht an den Teufel. Der im September verstorbene Pater Gabriele Amorth war bis zu seinem Tod Exorzist des Bistums Rom. Für die katholische Kirche nahm er um die 70'000 Teufelsaustreibungen vor. Er sah den Teufel nicht nur überall in der Welt, er unterstrich auch in einem Interview, dass er täglich mit dem Satan rede. Solche Äusserungen mögen sich für viele kompetent anhören, mit der Tätigkeit eines Gemeindehirten haben sie nichts mehr zu tun.

Ein Befreiungsdienst, wie er in Kirchen und Gemeinden tatsächlich stattfindet, sieht oft viel unspektakulärer aus. Da redet ein Sohn nach dreissig Jahren Stillschweigen wieder mit seiner Mutter. Da kann ein Geschäftsmann seinen Alltag auch ohne Alkohol bewältigen. Da erfährt eine alleinerziehende Mutter, dass sie nicht allein ist, dass andere sie annehmen, lieben, für sie da sind. Da weiss ein Schuldiger, dass ihm vergeben ist. Beispiele wie diese eignen sich nicht für Schlagzeilen, aber sie kosten auch keine Menschenleben. Beispiele wie diese riechen nicht nach Schwefel, aber sie verändern Menschen nachhaltig: «Zur Freiheit hat uns Christus befreit!» (Galater 5,1)

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Datum: 13.10.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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