Peter Schulthess wird pensioniert

«Herr Pfarrer, beten Sie richtig!»

Als Autor, Radiopfarrer und Notfallseelsorger war Peter Schulthess sehr breitgefächert öffentlich tätig. Nun geht der Pfarrer von Pfäffikon ZH in Pension. Er zieht Bilanz, nicht nur über die Anzahl Sitzungen, Trauungen und Beerdigungen, die er vollzogen hat, sondern auch, was er in 23 Jahren Pfarramt selber lernte.
Peter Schulthess als Nofallseelsorger
Peter Schulthess' Buch

idea Spektrum: Was hat damals den Ausschlag gegeben, dass Sie den Job als Jugendsekretär des Chrischonaverbandes mit dem Pfarramt in einer reformierten Kirche tauschten?
Peter Schulthess: Zunächst die familiäre Situation. Als Jugendsekretär war ich viel unterwegs – oft an Wochenenden und ganze Wochen. Meine Frau Doris war viel mit unseren vier kleinen Kindern alleine zu Hause. Aber es war so oder so das Ziel, irgendwann in meine religiöse Heimat zurückzukehren, welche die reformierte Landeskirche ist. Durch meine Zeit in freikirchlichen Kreisen habe ich viel gelernt, was ich ins Pfarramt mitnehmen konnte.

Ihre ersten Stationen waren dennoch im freikirchlichen Umfeld…
In der Ausbildung auf St. Chrischona musste ich mich zuerst an dieses neue, christliche Milieu akklimatisieren. Ich erhielt aber eine fundierte theologische Grundlagenausbildung, die ich nicht missen möchte. Dann folgten wichtige Stationen. Ich arbeitete in der Stadtmission Lausanne und betrieb dort intensiv Jugendarbeit. Später baute ich den Jugendevent Crea auf, initiierte zu 700 Jahre Eidgenossenschaft das «LiV 700». LiV als Kürzel für «Leben im Volk» – ein riesiges Jugendfestival mit Tausenden jungen Besuchern aus allen christlichen Jugendverbänden. Ich wurde zum Gemeindecoach. Parallel dazu begann ich Theologie zu studieren – gerade Psychologie und Philosophie waren für mich willkommenes Neuland.

Theologisch ist ein Wechsel in die Landeskirche mit vielen Kompromissen verbunden – ich denke da an Taufen und Beerdigungen.
Das würde ich so nicht sagen. Ich stellte mir immer die Frage: Was ist in dieser Situation angebracht? Worum geht es? Bei einer Beerdigung geht es um die Würdigung des Menschen, der verstorben ist. In dieser Würdigung komme ich automatisch auf den Schöpfer zu sprechen. Ich nutze Texte der weltlichen Musik, ob an Beerdigungen oder Trauungen, die von den Leuten selber ausgewählt werden. Der Glaube spielt immer eine Rolle. «Ewigi Liebi» – da liegt der Hinweis auf den einzigen, der ewige Liebe geben kann, so nahe.

Und die Taufe?
Die meisten Leute sind tief religiös. Sie wünschen sich Gottes Begleiten, auch gerade für ihr Kind. Ich liebe Psalm 131 «… still und ruhig ist mein Herz, wie ein sattes Kind im Arm der Mutter …» Es ist wunderbar, zusammen mit den Eltern, das Kind in Gottes Arme zu legen. Ich überreiche ihnen eine Taufkerze als Symbol: Jesus ist das Licht – das kann in schwierigen Zeiten tröstlich sein. Ich ermutige sie auch, die Kinderbibel mit den Kindern zusammen zu lesen.

Sie haben sich immer mehr zum Seelsorger entwickelt. Was macht für Sie den Reiz an dieser herausfordernden Aufgabe aus?
Die Menschen! Ich mischte mich von Anfang an unters Volk. Ich ging an Grümpelturniere, war im Gewerbeverein – Einkäufe dauerten immer etwas länger, denn in der Migros fiel es manchen leichter, das Herz zu öffnen als unter der Kirchentüre. Ich redete aber auch Klartext. Einmal erzählte eine Grossmutter, wie sie ihren Lieblingsenkel beschenkt habe. Ich sagte ihr dann unmissverständlich, dass das nicht gehe und gab ihr den Auftrag, nun gleich für alle anderen Enkel ebenso ein Geschenk zu kaufen.

Was für Erkenntnisse haben Sie im Miteinander mit den Menschen gewonnen?
Zum Beispiel, dass ein erfülltes Leben sehr verschieden aussehen kann. Da gibt es keine Regel, keine Norm. Es liegt wohl nicht so sehr an der Art, am Inhalt des Lebens, sondern mehr an der Betrachtungsweise. Weiter fasziniert mich die Beobachtung, dass je älter die Menschen werden, die Freude an kleinen Dingen immer grösser wird.

Was für eine Botschaft verkündeten Sie bei Ihrer letzten Predigt?
Ich predigte über 1. Korinther, Kapitel 13, Vers 9 ff. Unsere Erkenntnis ist Stückwerk. Diese Überzeugung prägt meine Theologie massgebend – sie macht demütig. Sie haben den Menschen in Pfäffikon zum Abschied ein Geschenk gemacht. Ja, ich wollte noch einmal Danke sagen. Die Zeit in Pfäffikon war eine reiche Zeit. Vieles wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Freiwillige sich eingesetzt hätten. Mit dem Buch «Herr Pfarrer, beten Sie richtig!», in dem ich Geschichten aus dem Pfarralltag erzähle, lasse ich die Menschen Anteil haben an Erlebnissen, die sie mir ermöglicht haben. Ich möchte mit diesen Einblicken auch junge Menschen ermutigen, selber Pfarrer zu werden. Was für Zukunftspläne haben Sie? Die Notfallseelsorge bleibt ein Schwerpunkt – ich schule ja auch Notärzte, Samariter, Rettungsdienst – und Feuerwehrleute etc. Ich werde als Referent zu verschiedenen Themen unterwegs sein und zudem habe ich ein Projekt in Pakistan, das Gemeinden unterstützt. Und, mein Leben wird sicher etwas ruhiger, weil viele Verpflichtungen wegfallen.

Zur Person:

Jahrgang 1952, verheiratet, vier erwachsene Kinder. Ausbildung zum Speditionskaufmann, Predigerseminar St. Chrischona, Maturität auf dem 2. Bildungsweg. Studium: Theologie und im Nebenfach Journalistik, 1987 Ordination zum Pfarrer der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich. 1987 bis 1994 Jugendbeauftragter der Chrischona-Gemeinden Schweiz, ab 1994 Gemeindepfarrer in Pfäffikon ZH mit Schwerpunkt Jugendarbeit, Innovationen, Gemeindeentwicklung, ab 2011 Schwerpunkt Altersarbeit. Ausbildung zum Notfall- und Katastrophenseelsorger, danach diverse Aufgaben, u.a. Leiter Care-Team des Spitals Uster, Notfallseelsorger (NFS) Kanton Zürich etc. Autor verschiedener Bücher.

Zum Thema:
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Datum: 05.11.2017
Autor: Helena Gysin
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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