150 Jahre «Bethel»

«Kein Mensch geht über die Erde, den Gott nicht liebt»

Ganz genau heisst die diakonische Einrichtung «von Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel», doch auch, wer die Kurzform «Bethel» hört, weiss meistens, worum es geht: um gelebte Nächstenliebe im grossen Masstab. An die heutigen Ausmasse dachte niemand, als 1867 in Bielefeld eine Anstalt für Menschen mit epileptischen Erkrankungen gegründet wurde. Auch nicht daran, dass dieses Werk für 150 Jahre im Segen arbeiten würde.
Mototherapie in Bethel

Der Namensgeber, Friedrich von Bodelschwingh, übernahm die Leitung der jungen Arbeit der Inneren Mission drei Jahre nach deren Gründung. Er prägte sie so intensiv, dass sie bald nach ihm benannt wurde. Sein Sohn führte die Arbeit fort und durch die dunklen Jahre des Dritten Reiches hindurch. Tragendes Motiv ihres Engagements war der berühmt gewordene Satz: «Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.»

Grund zum Feiern

Das gesamte Jahr 2017 ist von Jubiläumsfeiern geprägt. Unter dem Motto «150 Jahre Bethel – Für Menschen da sein» fand am Ostermontag ein Festgottesdienst statt, den sogar das deutsche Fernsehen übertrug. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte Bethel darin als gesamtgesellschaftliches Vorbild. Er unterstrich: «Wer Gemeinschaft verwirklichen will, muss das Verständnis und muss die Verantwortung füreinander stärken.» Er betonte dies gerade in Bezug auf Tendenzen, wo sich Menschen zurückzögen «in sogenannte Komfortzonen und Echokammern, in denen man – gerade im Internet – die Selbstbestätigung unter Gleichgesinnten viel eher sucht als die Offenheit für andere». Dagegen sei Bethel «für Menschen in ihrer ganzen grossen Verschiedenheit da».

Keine Glorifizierung

Dabei ging es weder Steinmeier noch den anderen Beteiligten am Festgottesdienst um eine Glorifizierung Bethels. Die hatte bereits früh begonnen. Schon Friedrich von Bodelschwingh der Ältere wurde von manchen Zeitgenossen als Quasi-Heiliger verehrt. Doch der grosse Visionär und Pionier der diakonischen Arbeit in Deutschland hatte auch deutliche Schattenseiten: Nur ungern liess er sich korrigieren. Auch in späteren Jahren machten gab es immer wieder pädagogische Methoden, die zumindest fragwürdig waren – wie die «Fürsorgeerziehung» der 1950er- und 1960er-Jahre. Keine Frage: Auch in Bethel menschelte es – und das tut es noch. Doch trotz Fehlern entwickelte sich die Arbeit von Bethel zu einem besonderen diakonischen Werk.

Ein Stadtteil der Nächstenliebe

Schon bald nach der Gründung kamen nicht nur epilepsiekranke junge Männer in die Einrichtung: Arbeitslose, Behinderte, Schwache, Kranke und Menschen, die am Rande der Gesellschaft standen, kamen hinzu. Aus 150 wurden 2'000 Gäste. Inzwischen hilft Bethel mit 18'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 230'000 Menschen. In Bielefeld, dem Stammsitz der Stiftung, die längst in vielen Bundesländern vertreten ist, bildet Bethel einen eigenen Stadtteil. Damit ist Bethel die mit Abstand grösste diakonische Einrichtung Europas.

Viele Menschen kennen die «Brockensammlung», die gebrauchte Kleidung annimmt, verkauft und weitergibt, die Briefmarkenstelle, wo Sammler gespendete Marken aus aller Herren Länder erhalten können, aber Bethel ist viel mehr als das: Altenwohneinrichtung, Krankenhaus, Wohngruppe, Psychiatrie, Hospiz, Schule, Behindertenwerkstatt, Jugendhilfe… an über 200 Orten in ganz Deutschland. Zusammengehalten wird die Arbeit nach wie vor von ihrem christlich geprägten Menschenbild. Dem Wissen, «dass jeder Mensch etwas Einzigartiges, etwas ganz Besonderes ist, und mit seinen Stärken und Schwächen respektiert, geachtet und gefördert werden muss».

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Datum: 20.04.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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