Neuer Einblick

170'000 jüdische Schriften aus Vor-Holocaust-Zeit entdeckt

170'000 jüdische Dokumente, von denen bislang angenommen wurde, dass sie von den Nazis zerstört worden sind, wurden kürzlich entdeckt. Sie stammen aus der Zeit vor dem Holocaust und geben einen neuen Einblick ins Judentum. Die in Litauen entdeckten Dokumente werden als wichtigster Fund seit den Schriftrollen am Toten Meer gewertet.
Das «Yidisher Visnshaftlekher Institut» (YIVO) machte den spektakulären Fund
Gefundene Schriftstücke

Das «Yidisher Visnshaftlekher Institut» (YIVO) gibt bekannt, dass es 170'000 jüdische Dokumente entdeckt hat, von denen bislang davon ausgegangen worden ist, dass die Nazis diese im Zweiten Weltkrieg zerstört hatten. Die Schriftstücke stammen teilweise von prominenten jüdischen Schriftstellern, andere sind religiöse oder behördliche Dokumente.

Zu den Funden gehören Briefe von Sholem Aleichem, eine Postkarte von Marc Chagall und Gedichte und Manuskripte von Chaim Grade. Zur Sammlung gehört auch ein wissenschaftliches Dokument aus dem Jahr 1751, das sich mit dem Sonnensystem beschäftigt, sowie die Kopie eines Theaterbeitrags von Abraham Goldfaden – dem Gründer des modernen jiddischen Theaters – aus dem Jahr 1883, das von den Russen zensuriert wurde.

Wichtigster Fund seit halben Jahrhundert

«Die Funde in Litauen sind das wichtigste Material aus der jüdischen Geschichte und Kultur, das im letzten halben Jahrhundert gefunden worden ist, seit den Schriftrollen am Toten Meer», ordnet David Fishman, Professor für Jüdische Geschichte am «Jewish Theological Seminary», die Funde ein.

«Nicht nur wurden Juden vernichtet, sondern auch die Aufzeichnungen ihrer Geschichte wurden zerstört. Mehr als 90 Prozent der Juden Lettlands wurden im Holocaust umgebracht.» Die Forscher würden nun Jahre brauchen, um die Dokumente zu analysieren.

In Deutschland gefunden

Die Geschichte hinter den Dokumenten ist bemerkenswert. Als die Nazis Litauen besetzten, beschlagnahmten sie die Mehrheit der jüdischen Dokumente und Artefakte, um diese zu zerstören. Manche Schriften wurden nach Deutschland weitergeleitet, damit anti-semitische Forscher diese durchgehen konnten.

170'000 der Dokumente konnte eine Gruppe jüdischer Intellektueller – die als «Papier Brigade» bekannt wurde – sichern und an sechs verschiedenen Orten im Vilnius-Ghetto verbergen. Nach dem Krieg gelangten die Dokumente in den Besitz des litauischen Bibliothekaren Antanas Ulpis, der die sowjetische Order, die Dokumente zu vernichten, umging und das Papier im Fundament der St. George Kirche in der litauischen Hauptstadt sicherte. Erst 2016 kamen sie wieder zum Vorschein und im Mai dieses Jahres realisierten die Behörden den Wert dieses Fundes. Seither wurde das eingangs erwähnte Institut kontaktiert und in diesen Tagen nun gelangte das Wissen um den Fund an die Öffentlichkeit.

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Datum: 27.10.2017
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / BCN / BIN

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