Sound&Sandwich in Bern

Wenn das Sandwich im Takt mitschwingt

Wo sich Studenten tummeln und unterhalten, Mittag essen oder einem Konzert lauschen, kann Sound&Sandwich nicht weit weg sein. Jeden Dienstag gibt es bei günstigem Mittagsmenü noch ein hübsches Konzert als Beilage. Will man sich einen Platz sichern, lohnt sich frühes Erscheinen, und das kulinarisch-akustische Erlebnis kann losgehen.
Sound&Sandwich
David Wöhrle, Pastor und Initiator von Sound&Sandwich
Sound&Sandwich findet jeden Dienstag im FabrikBistro statt.

«Einen Ort der Begegnung zu schaffen, war die Grundidee – und konnte so auch verwirklicht werden», so David Wöhrle, Initiator von Sound&Sandwich und Vorstandsmitglied vom «Verein Netz». Gleichzeitig ist er Gemeindeleiter einer Kirche und aktiv in der Jugendarbeit.

Wir treffen uns im Kellergewölbe. Nur gerade mit Stimme und akustischer Gitarre, erfüllt ein begabter Sänger den ansprechend eingerichteten Bistro-Raum.

Es sind nur ein paar Nasen und Ohren im kulinarischen Konzert, das sommerhafte Wetter hat die Anderen ins Freie gelockt. Dass die Besucherzahl sehr schwanken kann, zeigte der vollgestopfte Raum von vergangener Woche, wo die Sitzplätze rar waren. Dies ist eine der Herausforderungen, mit denen Veranstalter allgemein zu kämpfen haben.

Ein Ohren-Sandwich für Studierende

Eigentlich trafen zwei Ideen aufeinander: Die evangelische Kirchgemeinde Newlife Bern überlegte, wie sie den Leuten in der Nachbarschaft begegnen und dienen konnte, und ebenso hatte der Gemeindeleiter David Wöhrle einen speziellen Eindruck. Jedes Mal, wenn er an der leeren Bühne im Untergeschoss vorbeilief, dachte er, dass diese wiederbelebt werden müsse – dass dieser Zustand nicht der Richtige sei.

Um die Bühne zu benutzen und ihr ein Publikum zu bieten, bot sich auch die Uni und die PH (pädagogische Hochschule) an, welche in den vergangenen Jahren in die unmittelbahre Nähe gezogen ist.

Der rappende Initiator erzählt vom Beginn des Projektes: «Wir hatten 110 Sandwiches gestrichen und speziell ein Konzert mit Dodo organisiert, doch realisierten wir nicht, dass er hier in Bern damals gar nicht so bekannt war. So kamen gerade mal 40 Personen.» Was ja für einen ersten Event nicht unbedingt wenig ist. Es kommt auf die Erwartungen an.

Heute wird wöchentlich ein Mittagessen mit Konzert geboten, zu einem günstigen Preis von Fr. 6.- für Studierende und Fr. 10.- für Normal-Verdiener. Dabei bewegt sich die durchschnittliche Besucherzahl um rund 55 Personen.

Wie christlich darf's denn sein?

Praktisch alle Uni-Besucher finden es ok, wenn sie merken, der Verein gehört zu einer Kirche. Denn der Verein präsentiert den Glauben nicht offensiv, ganz nach dem Motto: «Wenn sie bei der tollen Stimmung hier und der coolen Umgebung plötzlich entdecken, woher die Liebe fliesst, ist das doch schön», so Wöhrle zu diesem Thema. Daher auch ihr Teilziel, Glaube und Welt auf eine unkomplizierte Art zusammen zu bringen.

Er selber betet schon mal spontan für Leute, was er jedoch auf der persönlichen Ebene sieht und nicht als Teil des Sound&Sandwich-Konzeptes.

Gespanntes Netz

Die Bistrokonzerte waren denn auch Startschuss zum «Verein Netz», welcher den Zweig der gemeinnützigen Dienste der Kirche bildet. Auch da sollen sie nicht in erster Linie als sakraler Ort wahrgenommen werden, sondern als Verein, der den Menschen von Bern dienen will – das hilft, Kontaktschwellen runter zu nehmen.

Auf der Suche nach Diensten für die Nachbarn, welche auch dort im Quartier wohnen, entstanden das erwähnte Kultur im o, ein Jugendtreff, aktive Integration bei Migranten und einiges mehr. Projekte wie Nähkurse, Secondhand-Kleidershop und anderes wurden nach dem Prinzip «ausprobieren und aussortieren» wieder eingestellt.

Diese Dynamik hängt wohl nicht zuletzt mit einer Gemeinde zusammen, die viele Ideen hat und das Anliegen, den Menschen ausserhalb der Kirche zu begegnen – und nicht zuletzt auch einen guten Umgang mit «Misserfolgen» hegt.

Kickoff für Musiker

«Wir engagieren nicht nur überzeugt christliche Musiker, und so hört man auch nicht nur Jesus-Lieder. Uns ist eine positive Lebenshaltung wichtig, darauf legen wir grossen Wert. Schon viele Nachwuchs-SängerInnen konnten wir fördern, wobei wir nun sogar die Schweizeracts besonders pflegen müssen, da wir fast mehr internationale Anfragen haben von Leuten auf Tour. Wir konnten auch zu ersten Karriere-Schritten von Bands verhelfen, die jetzt regelmässig in Radios gespielt werden», plaudert der Musikverantwortliche Dominik Hostetter aus dem Nähkästchen. «Eine Band hatte sich speziell auf den Gig formiert und sich einen Namen gegeben und startete dann unerwartet durch.»

Und weiter geht's

Zu den Zukunftsplänen äusserte sich Hostetter mit einigen Ideen: «Wir überlegten uns gerade bei diesem Wetter schon mehrmals eine Openair-Variante. Die Musikanlage und alles wäre vorhanden, wir könnten loslegen. Abends Feierabendkonzerte anzubieten, hatten wir auch schon diskutiert, oder ein Festival oder etwas im Zusammenhang mit dem Projekt 'Menschen von Bern' – ein diakonisches Fotoprojekt – standen schon im Raum.»

Diese Ideen kommen mit viel Energie daher und dennoch mit dem realistischen Ansatz, dass Erfolgskonzepte, wie das Sound&Sandwich auch Zeit benötigen und nicht von heute auf morgen aus dem Nichts auftauchen.

«Um die eigenen Songs weiter zu entwickeln, ist das hier eine Top-Gelegenheit. Man merkt dann, ob man die Leute gewinnen kann, oder ob ein Lied nicht funktioniert», erzählt uns der soeben aufgetretene Sänger; und zieht unbewusst eine Parallele zum Verein Netz, der Menschen dienen und sie weiterbringen will und dabei immer wieder Neues wagt.

 

Zur Webseite:
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Datum: 26.04.2018
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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