Glauben und Denken

G. K. Chesterton – der Apostel des gesunden Menschenverstandes

Mit 12 war er Heide, mit 16 Agnostiker, zum christlichen Glauben fand G. K. Chesterton allein durch sein wildes Denken. Der streitbare Brite ist im deutschsprachigen Raum höchstens durch seine Father-Brown-Geschichten bekannt – zu Unrecht. Er war ein Meister des intellektuellen Witzes, ein Prophet mit spitzer Feder und ein Apostel des gesunden Menschenverstandes.
Seit Ende 2013 laufen Bestrebungen, G.K. Chesterton heiligzusprechen – er selbst hätte sich bestimmt köstlich darüber amüsiert.

Vor 140 Jahren wurde Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) im Londoner Stadtteil Kensington geboren. Er arbeitete als Schriftsteller und Journalist, verfasste aber auch Theaterstücke und Gedichte.

Der Mensch

Chesterton war etwa 1,93m gross und wog über 130 Kilogramm. Er lachte gern und laut, auch über seine eigenen Witze. Oft wirkte er etwas abwesend. Zu seiner imposanten Erscheinung gehörten ein Cape, ein zerdrückter Hut, seine zierliche runde Brille, ein Stockdegen und die unvermeidliche Zigarre. Seine Körperfülle war Anlass zahlreicher Anekdoten. Als er seinem Freund George Bernard Shaw einmal sagte: «Wenn man dich sieht, könnte man glauben, dass in England eine Hungersnot herrscht», soll der geantwortet haben: «Und wenn man dich sieht, glaubt man, dass du sie verursacht hast».

Sein Einfluss

Obwohl Chesterton um die hundert Bücher schrieb, verstand er sich in erster Linie als Journalist. Seine Kolumnen zu verschiedensten Themen waren streitbar und gut leserlich, sie trafen damals den Nagel auf den Kopf – und viele tun es bis heute. Der Philosoph Ernst Bloch hielt ihn für «einen der gescheitesten Männer, der je gelebt hat». Durch sein Buch «The Everlasting Man» (Der ewige Mensch) kam C. S. Lewis zum Glauben. Chesterton inspirierte Michael Collins, sich für die irische Unabhängigkeit einzusetzen, und Gandhi, dasselbe für die indische zu tun. Zahlreiche weltbekannte Autoren nennen ihn als wichtigen Impulsgeber für ihre eigene Arbeit: Ernest Hemingway, Agatha Christie, Ian Fleming, Gabriel Garcia Marques und viele andere. Jorge Luis Borges unterstrich einmal, kein Schriftsteller habe ihm so viele glückliche Stunden bereitet wie Chesterton.

Seine Werke

Chesterton machte sich in seinen Werken ein Vergnügen daraus, Vorurteile auf den Kopf zu stellen. Er stellte Ketzerei als langweilig, nicht durchdacht und bequem dar und Orthodoxie (Rechtgläubigkeit) als abenteuerlich, spannend und relevant. Diese Themen greift er in zweien seiner wichtigsten Bücher auf. In «Ketzer» greift er den Humanismus und Materialismus seiner Zeit an. Vieles darin liest sich allerdings erschreckend aktuell. In «Orthodoxie» wird er positiv. Chesterton verteidigt darin die Tradition, das Wunder, die Phantasie und das Dogma. Allerdings auf seine eigene Art und Weise, denn er beruft sich dabei nicht auf Bibelstellen, sondern praktisch nur auf Alltagserfahrungen, gesunden Menschenverstand, Vernunft und Demokratie.

Weiterhin interessant – und auf Deutsch erhältlich – ist der allegorisch-anarchische SciFi-Roman «Der Mann, der Donnerstag war».

Sein Verschwinden und seine Wiederentdeckung

Über viele Jahre war Chesterton allerdings praktisch von der literarischen und christlichen Bildfläche verschwunden. Dies lag sicher zum Teil an flachen Übersetzungen, die zu sehr an den jeweiligen Zeitgeschmack angepasst wurden. Dale Ahlquist, sein Biograf und gleichzeitig Leiter der amerikanischen Chesterton Society ergänzt: «Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass Chesterton an unseren Schulen nicht länger unterrichtet wird, und dass seine Schriften nicht wieder aufgelegt und gerade im universitären Bereich verbreitet werden. Bis auf eine Entschuldigung. Es scheint so, dass Chesterton schwer einzuordnen ist. Wenn man einen Autor nicht schnell und mit einem Wort beschreiben kann, dann fällt er leicht durch die Maschen. Selbst wenn er 130 Kilo wiegt.»

Seit ein paar Jahren wird Chesterton wiederentdeckt. Es gibt wieder eine gute Biografie von ihm (Gisbert Kranz: Gilbert Keith Chesterton. Prophet mit spitzer Feder. Sankt Ulrich). Und auch einige seiner apologetischen Bücher sind in neuer, guter Übersetzung wieder auf Deutsch erhältlich – spannenderweise sind sie nicht in christlichen Verlagen erschienen. Aber das war schon immer typisch für Chesterton. Seine Glaubensgenossen hatten so ihre Schwierigkeiten mit ihm, und gerade diejenigen, mit denen er sich inhaltlich am heftigsten stritt, waren seine Freunde. Wie George Bernard Shaw, der betonte: «Die Welt ist nicht dankbar genug für Chesterton.»

Datum: 24.07.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung