Indiens Christen unter Druck

Die Christen als Feindbild des Hindu-Nationalismus

Die Lage für die Christen in Indien hat sich nach der Regierungsübernahme durch die Janata-Paratei verschärft. Doch welche Ideen hegen diese Nationalisten? Was ändert sich für die Christen? Und wie reagieren sie darauf?
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Bei der durch Premier Narendra Modis geführten Indischen Volkspartei (Bharatiya Janata) handelt es sich um eine hinduistisch-nationalreligöse, rechtskonservative Partei, die seit ihrer Gründung 1980 innerhalb von 30 Jahren zu einer der stärksten parlamentarischen Kräfte angewachsen ist. Im gegenwärtigen Parlament verfügt sie über die absolute Mehrheit. Sie hat den Ruf einer gewalttätigen Partei von Rüpeln.

Die Ideologie dieser Organisation baut darauf, dass Indien die Heimat der Hindus ist. Andere Religionen, insbesondere Islam und Christentum, seien in der Vergangenheit nach Indien eingedrungen und hätten einen Teil der Hindus – oft unter Zwang – zu landesfremden Religionen bekehrt. Es gelte nun, das Selbstbewusstsein und die Position der Hindus zu stärken und zu verhindern, dass sich andere Religionen noch weiter ausbreiten.

Der Hinduismus und seine Gesetze

Der Hinduismus ist mit rund einer Milliarde Anhängern und etwa 15 % der Weltbevölkerung nach dem Christentum (rund 31 %) und dem Islam (rund 23 %) die drittgrösste Religion der Erde. Seinen Ursprung hat er in Indien. Anhänger dieser Weltanschauung werden Hindus genannt. Die meisten Gläubigen gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, und glauben an eine Reinkarnation.

Genau genommen besteht der Hinduismus aus verschiedenen Religionen, die sich teilweise mit gemeinsamen Traditionen überlagern und gegenseitig beeinflussen, in heiligen Schriften, Glaubenslehren, der Götterwelt und Ritualen aber Unterschiede aufweisen.

Christlich-hinduistische Konfliktzonen

Der Hinduismus ist eine ebenso starre Gesetzesreligion wie der Islam. Zwar fehlt deren globaler Herrschaftsanspruch, doch er wird für Indien beansprucht. Grundlage des hinduistischen Religionsrechtes ist Manus Gesetzbuch: Die Manusmriti zählen zu den meistzitierten altindischen Texten im Bereich von Recht, Sitte und Religion. Ein breites Spektrum von Themen wird darin abgedeckt: Neben religiösen, rituellen, politischen und alltagsweltlichen Normen werden auch präzise Vorschriften zu Erbschaft, Adoption, Steuern, Strafen, Verfahrensrecht und Sühnungen aufgeführt.

Dabei werden teilweise kontroverse Positionen bezogen: Dies gilt zum Beispiel für die Stellung der Frau, die hierarchisch geordnete Kastengesellschaft mit den Brahmanen an der Spitze, die einschneidenden Reinheitsgebote sowie die teilweise drakonischen Strafen bei bestimmten Zuwiderhandlungen. Diese Schrift, ist etwa zwischen 100 v. Chr. und 200 n. Chr. entstanden.

Im Blick auf das Kastensystem und die engen Speisevorschriften bietet sich das Christentum als eine Religion der Befreiung an, was die Feindschaft der Hindus ebenso herausfordert wie einst das Auftreten Jesu jene der Pharisäer.

Missionarische Rivalität

Nach dem Vorbild der christlichen Mission gründete Swami Vivekananda 1897 die Ramakrishna-Mission, mit dem Ziel, die Lehre des Vedanta, den er als Vollendung der Religionen betrachtete, auf der ganzen Welt zu verbreiten. Die Rede Vivekanandas vor dem Weltparlament der Religionen 1893 in Chicago, in der er erstmals den Hinduismus als Universalreligion vorstellte, war die erste Gelegenheit, bei der sich der Hinduismus ausserhalb Indiens präsentierte.

In Indien selbst stehen hinduistische und christliche Mission zudem im Wettlauf um die Gewinnung der Adivasi, der noch einer volkstümlichen Naturreligion anhängenden Ureinwohner.

Die Reaktion der Christen auf die Verfolgungen

Angesichts des Vorwurfs, sie seien eine fremde, der Hinduismus hingegen die «angestammte» Religion Indiens, weisen die Christen jetzt gezielt darauf hin, dass sie aus dem ersten Jahrhundert stammen und damit früher da sind als der klassische Hinduismus (Blütezeit von 300-650) und auch älter als das europäische Christentum, dessen Sendboten Indien ab dem 15. Jahrhundert erreichten.

Ausserdem lösen sie sich in ihrem Erscheinungsbild vom kolonialen Erbe der Portugiesen, Dänen und Engländer. Besonders gelingt das den jungen Kirchen wie den Methodisten, Baptisten und Pfingstchristen.

Die Christen betonen eine christlich-messianische Erfüllung der hinduistischen Gesetzesreligion und damit die Befreiung von Kastenschranken, strengen Strafen, striktem Vegetarismus usw. Dies fordert die Hindus allerdings erst recht heraus. Indiens Christen sehen daher weiter tapfer ihrem Martyrium ins Auge: Ohne Kreuz kein Sieg!

Hinweis

Zur aktuellen Situation der indischen Christen hat der Orientexperte Heinz Gstrein eine Zusammenstellung aktueller Vorfälle verfasst und die Geschichte des Christentums in Indien zusammengefasst. Sie ist hier als abrufbar.

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Datum: 25.09.2016
Autor: Heinz Gstrein / Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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