Familiengeheimnisse

Wie damit umgehen?

Geheimnisse trennen und verbinden Menschen. Sind sie damit in einer Familie auch immer eine tickende Bombe? Das kommt zunächst darauf an, wer gegenüber wem Geheimnisse hat und um was es geht. Darauf weist der Psychologe Dr. Ulrich Giesekus hin.
Psychologe Ulrich Giesekus

«Eltern dürfen miteinander Geheimnisse haben und auch Kinder unter sich», so Dr. Giesekus. Wichtig sei, dass sich diese Geheimnisse auf der gleichen Ebene bewegten. Wenn es bei Geheimnissen aber zu Grenz-Überschreitungen komme, müsse man von einem Tabu sprechen; zum Beispiel, wenn ein Elternteil ein Kind gegen den Partner einnehme oder erwartet, dass es etwas vor dem Partner geheim hält. Der Psychologe Dr. Ulrich Giesekus leitet die Beratungseinrichtung «BeratungenPlus» im deutschen Freudenstadt. Er ist Buchautor und Referent zu den verschiedensten seelsorgerlichen und psychologischen Themen.

Das geht andere nichts an

Natürlich gibt es auch Dinge, die andere nicht zu wissen brauchen. Sei es das monatliche Gehalt der Eltern oder dass sich Mama und Papa über das Internet gefunden haben (wenn sie nicht gerne darüber sprechen möchten). Aber auch handfestere Sachverhalte – der Selbstmord eines Verwandten, die schwere Krankheit eines Angehörigen, der Gefängnisaufenthalt von jemandem aus der Verwandtschaft – all’ das sind Dinge über die man nicht gerne spricht und die man natürlich nicht verbreiten will.

Kinder spüren was los ist

Allerdings sollten Sie daran denken, dass Kinder spüren, wenn Sie ihnen etwas verbergen. Wo immer möglich, sollten Eltern darauf achten, dass sie dem Kind Erklärungen geben. Wenn Kinder mit Ihren Fragen nicht ernst genommen werden («Das bildest Du Dir nur ein!») wird es für das Kind schwer sich zu Recht zu finden und seiner inneren Antenne zu vertrauen.

Deshalb ist der bessere Weg eine kurze Erklärung, die das Kind beruhigt, aber wenig aussagt beziehungsweise nicht alles preisgeben muss. Wenn beispielsweise einer der Eltern um seinen Job fürchtet, muss man nicht die ganze Existenzangst vermitteln. Man kann einem Kind aber sehr wohl sagen, dass die Situation auf der Arbeit gerade sehr schwierig ist.

Zu grossen Belastungen führt es, wenn sich ein Elternteil mit einem Kind gegen den Partner verbündet, ihm seine Partnerschaftsprobleme anvertraut oder bei dem Kind Bestätigung und Unterstützung sucht. Eltern, so Giesekus, sollten dafür sorgen, dass Kinder niemals in Loyalitätskonflikte gegenüber ihren Eltern kommen.

Kinder dürfen Geheimnisse haben

Auch Kinder haben ein Recht auf Geheimnisse. Kleinere Kinder haben vielleicht eine Schublade oder eine Kiste im Zimmer, die für die Eltern tabu ist. Kinder müssen auch einmal sagen können: «Jetzt will ich allein sein» und ein entsprechendes «Nicht-Stören-Schild» aufhängen dürfen. Und natürlich sind Tagebuch und Handy für Eltern tabu.

Mit Schuld umgehen

Nicht selten verbindet sich mit Familiengeheimnissen die Frage nach Schuld und Verantwortung. «Heimliche Schuld», so Dr. Giesekus, «ist eine unheimliche Belastung.» In der psychologischen Forschung werde neu entdeckt, wie wichtig es sei, Menschen mit ihrem Empfinden von Schuld und Versagen ernst zu nehmen. Zum Beispiel komme es in der Arbeit mit Gewalttätern darauf an, zuerst ein Gefühl bei ihnen dafür zu wecken, dass sie sich durch ihr Verhalten anderen gegenüber schuldig gemacht haben.

«Wer offen mit Schuld umgeht, der hat ein Präventiv gegen Süchte und gegen Zwänge.» Wer seine Schuld sehe und damit umgehe, der lebe gesünder und weit stressfreier, als Menschen, die ihre Schuld leugneten und nicht wahr haben wollten. Diese grundlegende Wahrheit vermittle auch die Bibel: «Bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet.» (Die Bibel, Jakobusbrief, Kapitel 5, Vers 16). Der christliche Lehrer Jakobus, so Dr. Giesekus, habe den Zusammenhang von Schuldbewältigung und Gesundheit klar erkannt.

Bücher zum Thema «Vergebung»:
Ulrich Giesekus/Andreas Malessa: Vergeben kann man nicht müssen
Martin Grabe: Lebenskunst Vergebung
Kersin Hack: Vergebung – Impulse für ein freies Leben

Datum: 09.11.2011
Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch

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